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DOI: 10.1055/a-2065-5182
Im Schatten von Weltkrieg und Wissenschaftsboykott (Ehrenmitgliedschaften Teil 3)


1920: „Glanz und Macht sind dahin“
„Niedergebrochen nach ungeheuren Anstrengungen, zerrissen von der Raffgier unserer Feinde, krank, schwerkrank an innerem Zwist liegt unser armes Vaterland darnieder, Glanz und Macht sind dahin, und von den äußeren Gütern dieser Welt ist uns nicht viel mehr geblieben“ [1]. Mit diesen Worten beklagte Ernst Bumm (1858–1925) ([Abb. 1]), damaliger Vorsitzender der seinerzeitigen Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie (DGG), die Situation, in der er Ende Mai 1920 in Berlin den ersten Kongress der DGG nach dem Weltkrieg eröffnete [2].



Wie viele Zeitgenossen konnte Bumm die Niederlage Deutschlands nicht akzeptieren und bediente den nationalistischen Mythos einer im Felde vermeintlich unbesiegten deutschen Armee, indem er die „deutsche Kraft“ und den „alten deutschen Geist“ beschwor, die „4 Jahre lang einer Welt von Feinden siegreich Widerstand geleistet“ hätten. Gleichzeitig rief er zum Wiederaufbau auf. Dazu müssten alle „Zentren geistiger Tätigkeit, der Wissenschaft, der Moral, der Intelligenz, des Willens mobil gemacht werden und sich zusammentun, um gemeinsam bei der Erneuerung mit gutem Beispiel und mit Mut voranzugehen“ [3].
Die Notwendigkeit dazu war unübersehbar: In Folge des Krieges zeigten sich die wissenschaftlichen, kollegialen und menschlichen Verbindungen zu einem großen Teil der internationalen Scientific Community gekappt oder zumindest schwer gestört. Deutschland und Österreich sahen sich vonseiten der Alliierten einem Kongressboykott ausgesetzt, die gemeinsame Sprache wurde in der Wissenschaft konsequent zurückgedrängt [4]. Beiderseits hoch geschätzte wochenlange Professional Visits, wie die der Mitglieder des American Gynecological Clubs 1912 und 1914 in den Operationssälen der bekanntesten Frauenkliniken Deutschlands und Österreichs, gehörten der Vergangenheit an [5].
Publication History
Article published online:
05 October 2023
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