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DOI: 10.1055/a-2070-5510
Kopfschmerzen – ein häufiges, vielschichtiges Problem
Headache – a common but multifaceted problemKopfschmerzen gehören zu den häufigsten Krankheiten und Beschwerden in Deutschland. Bis zu 16% aller Frauen und 9% aller Männer leiden an Migräne. Der episodische Spannungskopfschmerz ist noch häufiger, wenn auch medizinisch weniger bedeutsam, da die Kopfschmerzintensität geringer ist. Angesichts ihrer Häufigkeit ist unbestritten, dass der überwiegende Anteil der Patientinnen und Patienten mit Kopfschmerzen von Hausärzten und Internisten, und nicht von Neurologen betreut wird.
Diese Kolleginnen und Kollegen werden in 3 Situationen mit Kopfschmerzen konfrontiert:
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Patienten stellen sich mit dem Beschwerdebild von Kopfschmerzen vor und erwarten eine Diagnosestellung und einen Therapievorschlag.
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Patienten kommen wegen anderer Beschwerden, und bei der Anamneseerhebung stellt sich heraus, dass immer wieder Kopfschmerzen auftreten.
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Kopfschmerz tritt als Notfall auf, ganz überwiegend im ärztlichen Bereitschaftsdienst.
Die Diagnose von erstmalig aufgetretenen starken Kopfschmerzen ist meist relativ einfach, da Begleiterscheinungen darauf hinweisen, dass es sich um einen symptomatischen Kopfschmerz mit der Notwendigkeit einer unmittelbaren diagnostischen Abklärung handelt. Schwieriger ist es beim erstmaligen Auftreten insbesondere von Trigemino-autonomen Kopfschmerzen, da diese aufgrund ihrer Intensität nicht immer einfach von sekundären Kopfschmerzen zu differenzieren sind.
Auch die Therapie der akuten Migräneattacke ist relativ einfach – es stehen Analgetika, nicht steroidale Antirheumatika und Triptane zur Verfügung. Bemerkenswert und erschreckend ist allerdings, dass in Deutschland weniger als 10% aller Patienten mit Migräne einmal pro Jahr ein Rezept über ein Triptan erhalten. Dies kann in der Praxis nur bedeuten, dass offenbar vielen Betroffenen eine hoch wirksame, nebenwirkungsarme, sichere und inzwischen auch ökonomisch vertretbare Therapie vorenthalten wird.
Ein schwerwiegenderes Problem ist die Migräneprophylaxe. Hier besteht immer noch ein erheblicher Mangel, da viele Patientinnen und Patienten nicht wissen, dass es nichtmedikamentöse und medikamentöse Verfahren für eine wirksame Migräneprophylaxe gibt. Ein wesentlicher Fortschritt sind die neuen monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor. Diese sind mindestens so wirksam oder wirksamer als die bisherige Migräneprophylaktika, zeichnen sich aber durch ihre gute Verträglichkeit aus. Angesichts der hohen Kosten und des bürokratischen Aufwandes bei der Verschreibung dieser neuen Medikamente zulasten der gesetzlichen Krankenkassen scheuen sich viele Hausärztinnen und Hausärzte diese Medikamente einzusetzen und überweisen Patienten mit häufiger und schwerer Migräne zu Neurologen oder Kopfschmerzspezialisten. Es ist aber nur eine Frage der Zeit das diese neuen Medikamente auch in der hausärztlichen Praxis eingesetzt werden.
Vergleicht man den Stand der Wissenschaft und der Therapie bei der Migräne mit dem Zeitraum von vor 30 Jahren hat es doch ganz erhebliche Fortschritte in der Behandlung akuter Migräneattacken und der Migräneprophylaxe gegeben. Leider ist die Vermittlung der nichtmedikamentösen Maßnahmen zur Migräneprophylaxe, die hoch wirksam sind und keine Nebenwirkungen haben, sehr zeitaufwändig. Hier sollten Betroffenen auf einige der guten Ratgeber hingewiesen werden, die es in der Zwischenzeit gibt.
Das Dossier im vorliegenden Heft befasst sich mit den drei Themenbereichen nicht-migränose Kopfschmerzen in der (Hausarzt-)Praxis, Migräneprophylaxe / Therapie des akuten Anfalls sowie Kopfschmerzen als Notfall – es deckt somit die wesentliche Breite häufiger Kopfschmerz-Situationen ab, mit denen Nicht-Neurologen konfrontiert werden. Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Hans Christoph Diener, Essen
Publication History
Article published online:
22 May 2023
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