Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(06): 646-647
DOI: 10.1055/a-2076-5370
DGGG
Mitteilungen aus der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG)

Stellungnahme mit Unterstützung der DGGG, April 2023 – Ernährungsmedizin im Krankenhaus stärken

Vorschläge für eine Verbesserung der Struktur- und Prozessqualität

Mangelernährung wird in einer übergewichtigen Gesellschaft oft unterschätzt, ist jedoch ein häufiges Phänomen bei chronischen oder gravierenden Erkrankungen. Sie findet sich bei etwa 20 – 30% aller Menschen, die stationär behandelt werden müssen [1]. Die Sarkopenie, eine Abnahme der Muskelmasse, ist zudem eine häufige Manifestation der Mangelernährung, die auch bei adipösen Patient*innen vorkommt.

Da ältere Menschen ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung einer Mangelernährung haben, ist durch den demografischen Wandel von einer zunehmenden Prävalenz auszugehen. Betroffen sind aber auch bereits Säuglinge, Kinder und Jugendliche.

Mangelernährung verschlechtert die Prognose hinsichtlich vermehrter Behandlungskomplikationen, schlechterer Lebensqualität, Verlust von Selbständigkeit und erhöhter Sterblichkeit [1]. Bei pädiatrischen PatientInnen ist zusätzlich von langfristigen negativen Auswirkungen auf Wachstum, Entwicklung und Gesundheit auszugehen [2]. Für palliative Patient*innen ist eine engmaschige ernährungstherapeutische Begleitung ein wesentlicher supportiver Beitrag zur Verringerung der Symptomlast.

Mangelernährung ist ein von der Krankheitsschwere unabhängiger Risikofaktor für einen ungünstigen Krankheitsverlauf und erhöht die Behandlungskosten in allen Altersgruppen signifikant. Die Folgekosten von Mangelernährung werden auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr allein in Deutschland geschätzt [3]. Diese Zusammenhänge wurden eindrucksvoll während der COVID-19-Pandemie bestätigt [4].

Aktuelle Studien von hoher Qualität zeigen, dass eine Ernährungstherapie die klinische Prognose einschließlich der Sterblichkeit verbessern kann und dabei kosteneffektiv ist [5], [6]. Im Vergleich zu anderen medizinischen Maßnahmen sind ernährungstherapeutische Interventionen verhältnismäßig kostengünstig. Trotzdem wird eine Ernährungstherapie derzeit nicht kostendeckend im DRG-System vergütet. Ein systematisches Screening auf Mangelernährung ist bereits mit wenig Aufwand zu realisieren. Aufgrund mangelnder personeller Ressourcen und insbesondere auch aufgrund einer fehlenden Vergütung erfolgt dies derzeitig nicht flächendeckend und nur in ungenügendem Ausmaß. Dadurch werden viele Patient*innen mit Mangelernährung nicht erkannt und entsprechend auch nicht behandelt. Ebenso fehlt es an strukturell verankerter Ernährungskompetenz in deutschen Kliniken.



Publication History

Article published online:
06 June 2023

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