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DOI: 10.1055/a-2078-1155
Nachruf Professor Dr. med. E. G. Jung
Die Nachricht vom Tod unseres ehemaligen Chefs Prof. E. G. Jung am 13. 1. 2023 nach kurzer Krankheit hat viele von uns sehr überrascht. Haben wir ihn doch bis zuletzt geistig äußerst rege erlebt.
Prof. Jung wurde am 3. März 1932 in Winterthur als ältestes von fünf Kindern des Ehepaares Dr. med. Ernst Karl und Ruth Jung geboren. Nach der Schulzeit in Winterthur begann er im Jahr 1952 das Studium der Medizin an der Universität Zürich. Das Sommersemester 1956 studierte er in Kiel; von seinen damaligen Segelerfahrungen erzählte er gerne. Nach Abschluss des Studiums arbeitete er zwei Jahre im Gerinnungslabor der Universitätsklinik Zürich. In der Zeit charakterisierte er mit Prof. F. Koller u. a. den Gerinnungsfaktor VIII. Am 1. 10. 1960 begann er in der Hautklinik der Universität Zürich bei Prof. H. Storck seine Facharztausbildung. Am 1. September 1965 kam er mit Prof. Urs W. Schnyder als erster Oberarzt an die Hautklinik der Universität Heidelberg, wo er 1968 habilitierte und am 25. 6. 1973 zum apl. Professor ernannt wurde. Am 1. Oktober 1975 wurde er als Direktor der Hautklinik des Klinikums der Stadt Mannheim (aktuell Universitätsmedizin Mannheim) und ordentlicher Professor der Universität Heidelberg berufen. Diese Position hatte er inne bis zu seiner Emeritierung am 31. 3. 2000. Als Emeritus verfolgte er mit großem Interesse die Mannheimer Hautklinik mit seinem Nachfolger Prof. Dr. Sergij Goerdt und die gesamte Universitätsmedizin Mannheim weiter.
Seit seiner Zeit als Oberarzt in Heidelberg beschäftigte er sich mit Lichtbiologie und baute eine Forschungsgruppe „Biologie und Pathologie der Lichtwirkung“ auf. Allein der Name der Forschungsgruppe demonstriert, dass Prof. Jung seiner Zeit voraus war. Damals waren Naturwissenschaften/Biologie und die Medizin/Pathologie noch ziemlich weit voneinander getrennt. Es gab kaum Kommunikationen zwischen den Fächern, eher ein Misstrauen. Prof. Jung nahm bereits damals eine Chemikerin, Frau Dr. E. Bohnert, in seine Gruppe auf. Auf dem Gebiet der Grundlagenforschung veröffentlichte Prof. Jung viele grundlegende Arbeiten v. a. zur Klinik und Pathogenese von Xeroderma pigmentosum (XP). 1970 gelang es ihm, eine neue XP-Form anhand der Klinik und eines unterschiedlichen UV-Repairmechanismus erstmals zu beschreiben, die er „pigmentiertes Xerodermoid“ nannte [1]. Später wurde sie als XP-Variante bezeichnet.
Die defekten DNA-Reparaturmechanismen von XP dienten ihm als Hinweise auf die Photokarzinogenese im Allgemeinen, die ein wichtiges Thema seiner Forschungen darstellte. Weitere Forschungsschwerpunkte waren Photodermatosen, Photoallergien, Lichtschutz und Phototherapie. Insbesondere in der Phototherapie (PUVA) leistete er Pionierarbeiten.
Seine lichtbiologischen Arbeiten wurden 1991 mit dem Gottron-Just-Wissenschaftspreis der Universität und Stadt Ulm ausgezeichnet. Ein anderes Forschungsthema, in dem Prof. Jung wesentliche Beträge leistete, waren die Genodermatosen, besonders seltene Formen wie z. B. die Akrokeratoelastoidosis.
Prof. Jung förderte eine Kooperation mit dem Institut für Zell- und Tumorbiologie am DKFZ (Prof. W. W. Franke) und sah in der damaligen Analyse der Cytokeratine das Potenzial für die spätere molekulare Charakterisierung von Genodermatosen, was sich ca. 20 Jahre später mit der Aufklärung spezifischer Cytokeratin-Genmutationen bewahrheitet hat.
In den späten 90er-Jahren gelang Prof. Jung ein großer, für die Zukunft der Klinik wichtiger Erfolg. Nämlich die Etablierung einer C3-Professur des DKFZ für Dermato-Onkologie an der Mannheimer Hautklinik. Diese neue Kooperation erweiterte die Forschung in Kliniknähe und führte so eines der essentiellen Anliegen, die er stets verfolgte, weiter. Die Professur war zuerst mit Prof. Dirk Schadendorf und ist aktuell mit Prof. Jochen S. Utikal besetzt.
Immer hat sich Prof. Jung der Fakultät und der Universität verpflichtet gefühlt und sich vielseitig engagiert, u. a. als Dekan der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim von 1977–1980 und von 1995–1997 als Prorektor der Universität Heidelberg. Auch für wissenschaftliche Gesellschaften war er bereit, Aufgaben zu übernehmen. So prägte er als Präsident (1985–1995) wesentlich die Deutsche Gesellschaft für Lichtforschung. 1970 war er Gründungsmitglied und 1976/1977 Präsident der European Society of Dermatological Research (ESDR), was in jenen Tagen schwierig war, da diese Aktivitäten nicht generell akzeptiert waren. Seit 1980 war er Mitglied der angesehenen Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
Auch als Herausgeber und Mitherausgeber einer Reihe von wissenschaftlichen Zeitschriften engagierte er sich. Zu erwähnen sind seine 30-jährige Herausgeberschaft und entscheidende Prägung der „Aktuellen Dermatologie“, deren Ehrenherausgeber und Autor er immer blieb, und seine Aktivitäten für „Photodermatology“.
Nicht nur im Denken der Grundlagenforschung, sondern auch in anderer Weise war Prof Jung seiner Zeit voraus. Mehr als die Hälfte der Ober- und Assistenzärzte waren immer Frauen. Wir „Mannheimer Frauen“ fielen in der 80er-Jahren neben den männlichen Kollegen der meisten anderen Kliniken schon auf.
Neben der wissenschaftlichen Leistung waren die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten für Dermatologie und Venerologie und die Betreuung von Doktoranden ein großer Verdienst von Prof. Jung für unser Fach. Er führte 77 Doktorandinnen und Doktoranden zur Promotion. Die Themen der Dissertationen beschrieb Prof. Jung so: „Betrachtet man die Thematik im Überblick, so ist evident, dass sich diese um die Forschungsschwerpunkte meiner Arbeitsgruppe in Heidelberg und der Hautklinik Mannheim schart; die Photobiologie, das experimentelle Ekzem mit besonderem Schwerpunkt der Photoallergien und die klinische Genetik. Später kam das Xeroderma pigmentosum hinzu, die Lichtbiologie und die Studien zur Wirkung und Sicherheit der PUVA sowie anderer Lichtquellen zur Behandlung der Psoriasis und von kutanen Lymphomen“ [2]. Er blieb immer interessiert an den Wegen all seiner Schüler und hatte ein offenes Ohr für sie.
Auch die studentische Lehre war ihm wichtig und in diesem Zusammenhang die Lehrbücher. So begründete er das Lehrbuch „Dermatologie“, Duale Reihe, Thieme Verlag, das 1989 in der ersten Auflage erschien und ein neues Konzept verwirklichte. Er motivierte viele Mitarbeiter der Klinik mitzuarbeiten an „unserem Lehrbuch“. Das Lehrbuch wurde ein Erfolg und derzeit ist die 9. Auflage in Vorbereitung.
Bewundert habe ich immer seine klaren Ansagen in allen Bereichen. Bspw. berichtete ich ihm – etwas enttäuscht – dass diskutiert wird, die nächste (8. Auflage) „unseres Lehrbuches“ nur elektronisch erscheinen zu lassen. „Dann machen Sie die elektronische Version ausgezeichnet“ war seine kurze Antwort und ich war wieder motiviert.
So hat Prof. Jung uns individuell gelenkt, ohne dass wir es bemerkt haben. Wir durften uns frei entfalten und wohl fühlen. „Kritiken, Anweisungen“ waren direkt und vertraulich zugleich oder als diskrete Aufforderung an die Oberärztin zu intervenieren.
Er war für uns ein Vorbild, dem wir immer mit großen Respekt begegneten.
Literatur
[1] Jung EG. New form of molecular defect in xeroderma pigmentosum. Nature 1970; 228 (5269): 361–362
[2] Jung EG. Meine Doktoranden – Erinnerungen eines Doktorvaters. Akt Dermatol 42018; 4: 273–276
Publication History
Article published online:
21 June 2023
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