Aktuelle Dermatologie 2023; 49(08/09): 358-372
DOI: 10.1055/a-2093-6375
CME-Fortbildung

Psychodermatologie: Grundlagen für den Aufbruch zu neuen Versorgungsformen

Psychodermatology: foundations for a new direction of type of care
1   Psychoneuroimmunologie Labor, Justus-Liebig Universität Gieße, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Gießen, Deutschland
,
Christian Stierle
› Author Affiliations

Die Belastung durch eine Hauterkrankung ist durch ihre Sichtbarkeit für jeden Betrachter gut nachzuvollziehen: Psychosoziale Themen sind in der Dermatologie daher allgegenwärtig. Aktuelle Erkenntnisse zeigen nun, dass dieser Bezug in beide Richtungen besteht, denn psychosoziale Belastungen können Hauterkrankungen und ihre Verschlechterung bewirken. Diese Wechselbeziehung stellt eine große Herausforderung dar.

Abstract

The burden of a skin disease is easily understood by any observer due to its visibility: psychosocial issues are therefore ubiquitous in dermatology. Current evidence now shows that this relationship is two-way, as psychosocial stress can cause skin disease and its worsening. This interrelationship poses a major challenge.

Kernaussagen
  • Haut und Psyche stehen in einem bidirektionalen Zusammenhang: Psychosoziale und biologische Faktoren für Erkrankung und Genesung bedingen sich im biopsychosozialen Modell gegenseitig, was in der Psychodermatologie zur Anwendung kommt.

  • Dermatologische und psychische Belastungen und Erkrankungen treten häufig und gleichzeitig in den selben dermatologischen Patient*innen auf.

  • Nach aktuellem Stand der Wissenschaft kommt es zu dieser häufigen Komorbidität, weil das Vorhandensein der einen Erkrankung die Entstehung, Schübe oder Verschlechterung der anderen Erkrankung begünstigen können. Das Vorliegen einer Neurodermitis kann also z.B. eine Depression nach sich ziehen und umgekehrt.

  • Die Therapie muss den Patienten in seiner Komplexität adressieren: Für die erfolgreiche Behandlung der Patient*innen ist es wichtig, alle „Baustellen“ zu erkennen und zu adressieren, da gerade Komorbidität häufig zu schlechteren Behandlungserfolgen, „Doktor-Hopping“ und chronifizierenden Verläufen etc. beiträgt.

  • Die Kenntnis psychopathologischer und psychoneuroimmunologischer Zusammenhänge, die einer psychosomatischen Komorbidität zugrunde liegen können, ermöglicht einen psychoedukativen und adhärenzfördernden Zugang zu den Patient*innen und die Überführung in integrierende interdisziplinäre psychosomatische Behandlungen.

  • In der Psychodermatologie spielen psychodynamische und verhaltenstherapeutische Ansätze eine wichtige Rolle. Die Integration dermatologischer und psychotherapeutischer Behandlungsbausteine ist für eine ganzheitliche Behandlung essenziell.

  • Ärztliches Training in Kommunikationstechniken kann die Behandlungsadhärenz von Patient*innen erhöhen.

  • Screening-Fragen zu psychischen Beschwerden und spezifische Fragebogen können die dermatologische Diagnostik ergänzen.

  • Die Entstehung von Psychosomatischen Institutsambulanzen (PsIAs), Gesundheits-Apps und Kurzzeittherapieprogrammen kann hier eine Möglichkeit bieten, neue Versorgungsformen für diesen bislang deutlich unterversorgten medizinischen Bereich zu entwickeln.



Publication History

Article published online:
01 September 2023

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