Sportphysio 2023; 11(04): 210-211
DOI: 10.1055/a-2095-9083
Notes
Veranstaltungsbericht

Return to Sport von Kopf bis Fuß

Bericht vom 10. Jahreskongress des OSINSTITUT

Am 24.6.2023 fand der 10. Jahreskongress des OSINSTITUT ortho & sport in München statt ([ Abb. 1 ]). Bei der ausverkauften Jubiläumsveranstaltung stand das Thema „Return to Sport – Wo stehen wir heute?“ im Fokus. Das Tagesprogramm enthielt 3 Themenblöcke mit insgesamt 10 halbstündigen Vorträgen renommierter Experten und anschließenden Diskussionsrunden.

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Abb. 1 Die Referenten und das Team des OSINSTITUT. Von links: Nils Borgstedt, Prof. Dr. Tim Meyer, Matthias Keller, Volker Herrmann, Jan-Philipp Müller, Christoph Thalhamer, Bettina Haupt-Bertschy, Wolfgang Schoch, Frank Diemer, Dr. Cornelia van Hauten, Dr. Eduard Kurz. (Quelle: © OSINSTITUT ortho & sport)

Die Teilnehmer*innen erhielten einen umfassenden Einblick in die Entwicklung des Return to Sport (RTS), die aktuelle Evidenz sowie praktische Hinweise für die Therapie- und Trainingsgestaltung nach bestimmten Beschwerden und Pathologien. In den Pausen lud eine Industrieausstellung zu Austausch und kulinarischer Versorgung ein.

Im Rahmen der Industrieausstellung wurde zudem der 4. Junior RTAAward als Nachwuchsförderpreis des OSINSTITUT verliehen. Gewonnen haben in diesem Jahr Klaas Nommensen und Svenja Preußke mit ihrem Poster zum Thema „Muskelfaserriss im M. biceps femoris: Physiotherapeutische Reha im Profi-Fußball“. Der 2. Platz ging an Victoria Dartsch und Clara Benning, die sich mit Schulterverletzung im Fußball beschäftigt hatten („Rockwood III – ACG-Verletzungen im Fußball“). Der Preis für den 3. Platz, ein Abo der Zeitschrift „Sportphysio“, ging an Johanna Glufke, Anna Kauter und Erja Grabis („Saisonaus nach Mittelhandfraktur?“).

Einblicke in Geschichte und Profisport

Der erste Kongressblock, für den Matthias Keller den Vorsitz übernahm, wurde von Prof. Dr. Jürgen Freiwald eröffnet. Er betrachtete die Entwicklung des RTS im Wandel der Zeit. Gespickt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und zahlreichen Anekdoten aus seinem Arbeitsalltag und reichen Erfahrungsschatz vermittelte er einen interessanten und kurzweiligen Themenüberblick. Prüfend stellte er unter anderem in den Raum, ob heutige neue Trends in Wahrheit nicht doch nur alter Wein in neuen Schläuchen seien. Eine klare Entwicklung ließe sich aber auf jeden Fall feststellen: In der Vergangenheit galt die Mechanotherapie als Vorbild, heutzutage aber gewinnen das Krafttraining und die Förderung der Neuroplastizität im Training zunehmend an Bedeutung. Zusätzlich betonte Prof. Freiwald: „Trainieren Sie bitte keine einzelnen Muskeln, sondern Bewegungen.“

Jan-Philipp Müller, Arzt des FC Bayern Campus, bot Einblicke in die Strukturen und Abläufe der Sportlerbetreuung im professionellen Fußball mit besonderer Berücksichtigung des Nachwuchsfußballs. Neben der Darstellung des routinemäßigen Screenings und der Trainingsabläufe konnten die Teilnehmer*innen Eindrücke aus dem interdisziplinären Teamalltag gewinnen. Einer der Schwerpunkte ist derzeit das Bio-Banding, ein bedeutsames Tool zur Talentförderung und Verletzungsprophylaxe in der sensiblen Zeit des pubertären Wachstums. Hier ist für die Kategorisierung der Spieler*innen im Mannschaftstraining nicht das chronologische Alter, sondern der biologische Entwicklungsstand entscheidend.

Dazu passend stellte Volker Hermann, Leiter des Olympiastützpunkts Bayern, die Vision der optimalen Sportler*innenbetreuung durch Individualisierung, Technisierung, Versorgungsoptimierung und Networking vor. Entwicklungspotenziale der Sportler*innen wurden hier in Form eines Planungsdreiecks mit dem Fokus auf Trainingsziel, Prädisposition und leistungsbestimmende Faktoren skizziert.

Prof. Dr. Tim Meyer schilderte die Herausforderung im Leistungs- und Breitensport für den Return to Sport nach Covid-19 und anderen Infektionskrankheiten. Die Primär- (Infektionsvermeidung) sowie die Sekundärinfektionsprävention (Infektionsübertragung, Reinfektion) stellten zentrale Säulen dar. Häufige Hauptprobleme nach Virusinfektionen seien Leistungsminderung, Organbefall (z. B. Hepatitis, Myokarditis) und das postvirale Müdigkeitssyndrom. Als empfohlene Richtlinie für den RTS nach Covid-19 wies Prof. Meyer beispielsweise auf den Expertenkonsensus von Steinacker et al. 2022 hin [1].


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Evidenz und Praxis für Schulter und HWS

Im zweiten Block, moderiert von Chair Wolfgang Schoch, rückten Frank Diemer und Bettina Haupt-Bertschy den Status quo im RTS der Schulter ins Rampenlicht ([ Abb. 2 ]), Christoph Thalhamer referierte zu Verletzungen der Halswirbelsäule.

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Abb. 2 Am Ende des zweiten Blocks stellten sich Bettina Haupt-Bertschy und Frank Diemer den Fragen der Teilnehmer*innen. (Quelle: © OSINSTITUT ortho & sport)

Physiotherapeut (MSc) Frank Diemer wurde seinem Ruf als wandelnde Studiendatenbank gerecht und präsentierte aktuelle Evidenz konservativer und operativer Nachbehandlung traumatisch bedingter anteroinferiorer Schulterinstabilität. Dabei ergab sich auch die Fragestellung, welche Voraussetzungen für eine Rückkehr zum Pre-Injury-Level notwendig sind. Neben der physischen Rehabilitation, die anhand von Liga-Statistiken, Scores, Kraft- und Funktionstestungen sowie subjektiven Befragungen ausgewertet werden kann, betonte Diemer auch die Angstbewältigung als auschlaggebendes Kriterium für ein Comeback.

Physiotherapeutin (MSc) Bettina Haupt-Bertschy vom Institut für Physiotherapie am Inselspital, Universitätsspital Bern, veranschaulichte kompakte Tests und Behandlungsstrategien in der Prävention und Rehabilitation von Schulterpatient*innen. Unter dem Motto: „Was passiv nicht beweglich ist, funktioniert auch aktiv nicht“, gab sie praktische Tipps für aktive und passive Behandlungstechniken sowie Trainingsvariationen. Visuell demonstrierte sie anhand von Patientenbeispielen ihren Erfahrungsschatz und lieferte damit einige Aha-Erlebnisse und Take-Home-Messages für die Teilnehmer*innen.

Anschließend komplettierte Mag. Christoph Thalhamer, Physiotherapeut aus Wien, den zweiten Kongressblock mit den Kriterien zum Return to Sport nach Halswirbelsäulenverletzungen. Schnell wurde klar, dass die aktuelle Evidenz zu diesem Themengebiet rar ist. Objektive Entscheidungskriterien von ärztlicher Seite, unterstützt durch physiotherapeutische Funktionstestungen, werden der subjektiven, physiologischen Bereitschaft zum Comeback nach einer Verletzung gleichgestellt. Mit zahlreichen Beispielen zum Beweglichkeits-, Koordinations- und Krafttraining stellte Thalhamer auch sportartspezifische Trainingsmethoden dar.


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Von Knie bis Fuß – RTS untere Extremität

Den dritten und finalen Themenblock moderierte Dr. Eduard Kurz, wissenschaftlicher Leiter des OSINSTITUT ortho & sport. Mit Vorträgen zu Knie, Achillessehne und Hop-Tests stand die untere Extremität im Mittelpunkt.

Kniespezialist Prof. Dr. Dr. Thomas Stein demonstrierte anschaulich einzelne Operationstechniken nach komplexen Knieverletzungen. Welche realistischen Chancen für ein RTS nach solchen Verletzungen bestehen, zeigte er anhand von individuellen Fallbeispielen aus seiner Praxis.

Dr. Cornelia van Hauten, Kooperationsärztin des OSP Rheinland, sprach über ihre klinischen Ansätze mit chronischen Überlastungen am Fuß und an der Achillessehne. Sie beschrieb neben Mythen und Differenzialdiagnosen von Achillessehnentendinosen auch einen Leitfaden zum Belastungsaufbau nach Achillessehnenverletzungen. Die einzelnen RTS-Phasen gliederte sie in Schmerzreduktionsmaßnahmen, Kraftaufbau bis hin zum sportartspezifischen Training. Conclusio in der Achillessehnen-Reha laut van Hauten: Die Achillessehne hasse Druckbelastungen sowie schnelle Veränderung, und beim Tendoloading seien hohe Belastungen (High Load, High Time Under Tension) unerlässlich.

Geschickt gewann Dr. Alli Gokeler im letzten Vortrag die Aufmerksamkeit des Publikums mit einem interaktiven Test aus Denkaufgaben kombiniert mit Bewegungsaufträgen. Gokeler, einer der führenden Köpfe in Sachen Kreuzband-Reha, fokussierte sich in seinem Vortrag auf den fehlenden Schritt, genauer gesagt: die Black Box zwischen Hop-Tests und einem erfolgreichen Comeback nach Riss des vorderen Kreuzbandes. Er zeigte, dass die aktuelle Studienlage beweist, dass kein Zusammenhang zwischen Hop-Test-Ergebnissen und einer Prädiktion einer erneuten Kreuzbandverletzung besteht. Die Teilnehmer*innen wurden für eventuelle sensomotorische Veränderungen im Gehirn nach Verletzungen sowie für die Bedeutsamkeit von Sensorik, Motorik und Neurokognition im RTS-Kontinuum sensibilisiert. Gokeler betonte mehrere Schwerpunkte im RTS-Alltag. Unter anderem stellte er heraus, dass es nicht „die eine gute Bewegung“ gebe. Vielmehr benötigten Athlet*innen ein breites Spektrum an Bewegungsabläufen, um sich optimal an sich ändernde Umweltbedingungen anpassen zu können. Aufgaben- und zielorientiertes Training solle geschärft werden und ein ständiger Parameterwechsel bezüglich der Übungsselektion solle im Mittelpunkt stehen, um Motivation, motorische Kontrolle und Neuroplastizität zu fördern.

Den Jubiläumskongress ließen die Mitarbeiter des OSINSTITUT, Referenten und Teilnehmer bei einem Kaltgetränk ausklingen. Der 11. Jahreskongress ist bereits in Planung. Themen und Termin werden über die Homepage des OSINSTITUT ortho & sport (www.osinstitut.de) bekannt gegeben.

Nils Borgstedt, Kathrin Nößler


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Publication History

Article published online:
31 August 2023

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  • 1 Steinacker JM, Bloch W, Dreibert P. et al. Recommendations for return-to-sport after COVID-19: Expert consensus. Dtsch Z Sportmed 2022; 73: 127-136