Z Sex Forsch 2023; 36(03): 183-185
DOI: 10.1055/a-2114-5085
Buchbesprechungen

Sex in echt. Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät

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Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer. Sex in echt. Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät. Hamburg: migo. 128 Seiten, EUR 17,00

Sexualaufklärungsbücher sind ein merkwürdiges Genre. Sie sind Sachbücher, aber ihr Gegenstand Sexualität lässt sich nur schwerlich versachlichen. Sie sind und bleiben Erziehungsratgeber, nehmen aber mit dem seit den 1990er-Jahren zunehmenden Einfluss des Paradigmas der Sexuellen Bildung deutlich stärker in Anspruch, nicht nur der Informationsvermittlung zu dienen, sondern subjektorientiert zur Selbstformung und zur Aneignung sexueller Lebens- und Genussfähigkeit beizutragen (siehe bspw. Kluge (2013): Sexuelle Bildung: Erziehungswissenschaftliche Grundlegung). Sie wenden sich an Kinder und Jugendliche und möchten den sexualitätsbezogenen Fragen und Themen der jungen Leser*innen gerecht werden, konzipiert und geschrieben sind sie jedoch von Erwachsenen. Nahezu zwangsläufig verfassen diese erwachsenen Autor*innen Aufklärungsbücher, die sie im Zuge ihrer vormals selbst erfahrenen Sexualerziehung womöglich gerne gelesen oder gebraucht hätten. Auch in dem im Folgenden vorgestellten Buch schreiben die Autorinnen: „Pubertät kann manchmal echt ein Arschloch sein, und wir hätten uns damals gewünscht, dass wir jemanden hätten fragen können, warum auf einmal unsere Unterhose klatschnass ist oder ob ich anstatt Junge oder Mädchen nicht auch einfach keines von beidem sein kann“ (S. 9). Mit der Erziehungswissenschaftlerin Christin Sager und ihrer Dissertation „Das aufgeklärte Kind. Zur Geschichte der bundesrepublikanischen Sexualaufklärung (1950–2010)“ (2015: 22) lässt sich vor diesem Hintergrund festhalten, dass der „Impuls zur Sexualaufklärung qua Sexualaufklärungsschriften […] von der erwachsenen Seite aus[geht]. […] Selbst das kindliche Bedürfnis nach Sexualaufklärung ist ein von Erwachsenen konstruiertes.“ Die Verwirrung, die dabei entsteht, berührt den Kern der Pädagogik, der wiederum unmittelbar mit Sexualität verknüpft ist: das Generationenverhältnis. Im Genre des Aufklärungsbuches stellen sich die Dinge somit buchstäblich vom Kopf auf die Füße: Pädagog*innen kommen in ihrer Beschäftigung mit kindlicher und jugendlicher Sexualität, wie Siegfrid Bernfeld bereits in „Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung“ (1981) [1925]: 33 f.) feststellt, in Kontakt zur eigenen, in Teilen verdrängten und doch wirksamen Erinnerungspur an „infantile Wünsche“ und an die eigene „leidenschaftliche, triebwilde Kindheit“. Sie präparieren nunmehr sexualitätsbezogenes Wissen, welches sie an Kinder und Jugendliche weitergeben, die das darin Beschriebene aber vielleicht (noch) gar nicht erlebt haben oder auch (noch) gar nicht erleben möchten. Es wird also deutlich, wie ideologieanfällig solcherlei Unternehmungen sind, und es verwundert daher nicht, dass die Auseinandersetzungen um die sexuelle Aufklärung von Kindern und Jugendlichen wiederkehrend und dabei meist aufgeheizt geführt werden.

Die Sexualpädagoginnen Nadine Beck und Rosa Schilling haben sich nun mit dem neuen Jugendaufklärungsbuch „Sex in echt. Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät“ mutig und unerschrocken in ebendieses Terrain gewagt. Mit nur 127 Seiten fällt ihre Veröffentlichung vergleichsweise knapp und textarm aus, liefert aber zugleich beeindruckend kompakte und äußerst direkte Informationen für Jugendliche und Erwachsene. Gepaart sind die insgesamt elf Kapitel mit Illustrationen der Kommunikationsdesignerin Sandra Bayer, die mit Blick auf das Buchthema als wirklich gelungen bezeichnet werden können: Die Zeichnungen sind schillernd und vielseitig, sie verwundern, lassen schmunzeln und die abgebildeten Körperformen, Haare, Münder, Sexszenen, Früchte, Herzen, Grimassen, Sextoys und Verhütungsmittel sind häufig liebevoll und grotesk in einem. Dass die Veröffentlichung ohne Fotografien auskommt und stattdessen Gezeichnetes präsentiert, begründen die Autorinnen in einem Zeitungsinterview im „General-Anzeiger“ vom 07.10.2022 mit der Rechtslage und auch ihrem eigenen Bedürfnis nach Jugendschutz, nicht zuletzt würden (Nacktheits-)Abbildungen echter Menschen zu möglicherweise belastenden Vergleichen führen, normative Körperideale reproduzieren und die Vielfalt an körperlichen Erscheinungsbildern nur ungenügend abbilden. Interessant ist diese selbst- und normenkritische Handhabung auch mit Blick auf die bundesdeutschen Debatten um die Indizierung von Aufklärungsschriften als jugendgefährdend: Während in den 1970er-Jahren das im Kontext der Schüler*innen-Bewegung entstandene und von Günter Amendt herausgegebene Buch „Sexfront“ (1970) nur knapp einer von konservativer Seite angestoßenen Indizierung entging, zog das Bundesfamilienministerium noch 2007 auf Druck rechtskonservativer Akteure die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegebene Broschüre „Körper, Liebe, Doktorspiele“ zurück (siehe Sielert (2007): Stellungnahme zur öffentlichen Kritik an der Aufklärungsbroschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) „Körper, Liebe, Doktorspiele“). Und auch gegenüber einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Jugendaufklärungsbücher „Make Love“ (2012) von Ann-Marlene Henning und Tina Bremer-Olszweski wurde zeitweilig eine Indizierung aufgrund der darin gezeigten Nacktfotografien diskutiert (siehe Hajok und Hildebrandt (2015): Jugendgefährdung im Wandel der Zeit. Veränderungen und Konstanten in der BPjM-Spruchpraxis zu Darstellungen von Sexualität und Gewalt). Die aktuelle Jugendaufklärungsschrift „Sex in echt“ kommt Gefährdungsdiskursen dieser Art mittels anderer argumentativer Vorzeichen zuvor: Darstellungen sind demnach nicht hauptsächlich aufgrund ihres sexuellen und möglicherweise pornografischen Gehalts zu mäßigen, wohl aber aufgrund ihres Diskriminierungs- und Irritationspotenzials wegen mangelnder Diversitätsdarstellung.

Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Buches fällt zunächst die gewählte Reihenfolge der Kapitel auf, die einen eindeutigen Hinweis auf die konzeptuellen Schwerpunkte der Autorinnen geben: Klassische Themen, die in der Jugendaufklärung häufig im Vordergrund stehen, wie Verhütung und Pornografie, tauchen eher gegen Ende des Buches auf. Stattdessen beginnt es mit den Themensträngen sexuelle Lust und Unlust, Sinnlichkeit und Körperlichkeit. Der Mittelteil widmet sich unter anderem sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten sowie Dating, Liebe und Beziehung. Im Vergleich zu anderen Veröffentlichungen dieser Art sticht zudem ein weiterer Themenfokus hervor: Sextoys werden an vielen Stellen im Buch genannt und in einem eigenen Kapitel thematisch aufgegriffen. Hier dürfte der fachlich-berufliche Hintergrund der beiden Autorinnen die inhaltliche Entscheidung miterklären: Nicole Beck hat ihre kulturwissenschaftliche Dissertation über Sexspielzeuge, insbesondere den Dildo, verfasst und arbeitet als „Sexpertin“ für das Erotik-Unternehmen Beate Uhse, Rosa Schilling ist Teil des queer-feministischen Sexshopkollektivs Fuck Yeah in Hamburg. Ein Beweggrund für die inhaltliche Reihung des Aufklärungsbuches könnten für die Macherinnen die Ergebnisse aus den Befragungen von Jugendlichen in Deutschland zur Schwerpunktsetzung ihrer schulischen Sexualaufklärung gewesen sein: Dort dominiert weiterhin, wie Scharmanski und Hessling (2022) und Bode und Heßling (2015) in der repräsentativen Wiederholungsstudie „Jugendsexualität“ belegen, die pädagogische Thematisierung und Wissensvermittlung zu Geschlechtsorganen, körperlicher und sexueller Entwicklung, Menstruationszyklus, Empfängnisverhütung sowie Geschlechtskrankheiten. Gegen diese auf die kognitive Informationsvermittlung konzentrierte Sexualaufklärung bringen sexualpädagogische Fachkräfte seit Längerem eine ihrer Einschätzung nach partizipativere, an Lebenswelt und Handlungswissen orientierte Sexuelle Bildung in Stellung (siehe Valtl (2013): Sexuelle Bildung: Neues Paradigma einer Sexualpädagogik für alle Lebensalter). Folgt man diesem Credo, so gilt, wie es Ann-Kathrin Kahle in „Sexualität und Vielfalt – muss man Sexualität lernen?“ (2016: 93) formuliert, „dass sexualpädagogisches Handeln weit über den Rahmen von Aufklärung, Wissensvermittlung und Verhütungsberatung hinausgehen muss. Fragen der Persönlichkeitsentwicklung müssen berücksichtigt werden, wie z. B. die Stärkung von Selbstwertgefühl, der Beziehungsfähigkeit und die Ermöglichung positiver Körpererfahrungen.“ Es zeigt sich, dass „Sex in echt“ diesem im Paradigma der Sexuellen Bildung formulierten Anspruch genügen möchte und ihn darüber hinaus mit Elementen aus der Queer-Theorie und queer-feministischem Aktivismus verknüpft sehen will. Allerdings mag der*die kritische Leser*in demgegenüber eine mangelnde Distanz zu Konzepten und Forderungen der queer-feministischen Bewegungen sowie ihrer Sub- und Popkultur einwenden. Stellenweise ist das Buch nahezu gespickt mit Ansätzen und Slogans aus dem Bereich des Body Positivity-, Konsens-, Transgender- oder Kink/BDSM-Aktivismus. Problematisch sind die dabei unter sexuell liberalisierten Vorzeichen vermittelten Idealvorstellungen.

Jedenfalls stehen im Mittelpunkt des durch Valtl (2013) eingeführten Konzepts der Sexuellen Bildung unter anderem die Zentrierung auf die Lernenden und ihre Bedürfnisse sowie die Ausrichtung auf Konkretion und Brauchbarkeit. Beck und Schilling versuchen, dem nachzukommen, indem sie in der Vorbereitung ihrer Publikation Jugendliche und junge Erwachsene interviewten und Zitate ihrer Interviewpartner*innen in das Buch integrieren. So heißt es in einem anschaulichen Zitatbeispiel: „‚Meinen ersten Orgasmus hatte ich mit neun Jahren. Damals habe ich mir in der Badewanne immer den Duschstrahl zwischen die Beine gehalten, das fand ich schön. Irgendwann habe ich dann ganz plötzlich ein voll intensives Gefühl bekommen. Da wäre ich fast ohnmächtig geworden, so heftig war das! Häufig massiere ich meine Klitoris mit kreisenden Bewegungen, wenn ich auf dem Rücken liege‘“ (S. 54). Zudem werden konkrete Fragen von Jugendlichen aufgerufen und beantwortet, so beispielsweise, ob man in der Periode schwanger werden kann (S. 43), wie Verliebtsein geht (S. 72) oder ob man machen muss, was im Porno geschieht (S. 123). Den Antworten ist häufig eines gemein: Sie sind auf eine charmante Art kurz und direkt, so zum Beispiel beim Thema Körperbehaarung: „[…] mir wachsen voll viele Haare überall. Muss ich mich jetzt rasieren? Nö. Dein Körper, deine Regeln“ (S. 25). Insbesondere mit Blick auf weibliche (oder transmännliche) Körper und Sexualität liefert das Buch an einigen Stellen wichtige und fortschrittliche Beiträge. Es wird eine Vielzahl an Menstruationsprodukten gleichberechtigt dargestellt (S. 44), die Endometriose und der damit einhergehende, derzeit weiterhin gynäkologisch teilweise de-thematisierte Leidensdruck werden angemessen aufgegriffen (S. 47). Allerdings fällt einem*einer an der Lebenslage von Jungen und jungen Männern Interessierten womöglich die ungleich verteilte Beschreibung der unterschiedlichen Geschlechtskörper und -realitäten auf. Vielleicht lässt sich dieses im Buch vor allem bei der Darstellung der Geschlechtsteile erkennbare Ungleichgewicht auch durch den bereits von Sager (2015: 222) für die Kinderbücher festgestellten „Wandel des Autorengeschlechts“ im Bereich der Aufklärungsliteratur erklären. Die Schriften werden seit den 1990er-Jahren in großer Mehrheit von Frauen publiziert.

Blickt man auf die bisher vorliegenden Rezensionen sowie auf die aktuelle Nominierung von „Sex in echt“ für den Deutschen Jugendliteraturpreis lässt sich eine in der Tendenz positive bis begeisterte öffentliche Reaktion auf das Aufklärungsbuch feststellen. Die in der vorliegenden Rezension bereits geschilderten, gelungenen Aspekte der Veröffentlichung machen diese positiven Einschätzungen nachvollziehbar. Abschließend sei jedoch auf zumindest drei Problembereiche des neuen Jugendaufklärungsbuches hingewiesen, die sich aus einer kritischen erziehungs- und sexualwissenschaftlichen Perspektive identifizieren lassen:

1. Inspiriert durch die Konkretion lösungsorientierter Zugänge zur Bewältigung sexueller Herausforderungen schlägt „Sex in echt“ seinen Leser*innen Methoden und Konzepte vor, die aus der sexualtherapeutischen Arbeit mit Erwachsenen stammen und – so die Einschätzung des Autors – nicht unmittelbar auf die Zielgruppe der Jugendlichen übertragen werden können und sollten. Die aus dem „Hamburger Modell“ bekannte und in dem von Margret Hauch herausgegebenen Band „Paartherapie bei sexuellen Störungen“ (2020) dargelegte soma-visuelle Selbstuntersuchung, eine aus sexualtherapeutischer Perspektive voraussetzungsreiche Methodik, wird in freundlichem Aufforderungscharakter eingeführt („Schnapp dir einen Spiegel und mal dein Genital auf!“ (S. 34)). Der von David Schnarch in „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“ (2006) als sexualtherapeutischer Ansatz entwickelte „Sex mit offenen Augen“, eine im paartherapeutischen Vorgehen eher langfristig zu erarbeitende Praktik, wird den Heranwachsenden unumwunden vorgeschlagen und zugleich mit einer konsensmoralischen Aufforderung versehen.. So lautet der Vorschlag hierzu: „Probiert mal, euch beim Sex in die Augen zu schauen. Nicht nur wegen dem verbundenen und auch heißen Gefühl, das dadurch entstehen kann, sondern auch, weil ihr euch so einen guten Eindruck von der Gefühlslage der anderen Person machen könnt. Und lest eure Körpersprache! Spürt, wie sich eure Körper verhalten: seid ihr eher angespannt oder locker? Wendet ihr euch einander zu? Wenn jemand plötzlich sehr ruhig ist und sich kaum bewegt, kann das auch heißen, dass die Person nicht mehr möchte, es aber vielleicht nicht sagen kann. Oder aber sie genießt gerade still, was passiert. Wenn du es nicht genau einschätzen kannst, frag vorsichtig nach“ (S. 85). Dieses der aktiven Selbstreflexion und der Prävention sexueller Störungen dienende Vorgehen spricht Jugendlichen nicht nur eine ausgesprochen weitreichende Reflexionsbereitschaft und -fähigkeit zu, sondern suggeriert zudem eine qua Introspektion herstellbare Zugänglichkeit zu Sexualität und Geschlecht.

2. Die Botschaften des Aufklärungsbuches schwanken zwischen Permission und Repression und verfehlen dabei die Lebensrealität der Heranwachsenden. Die Vorschläge zur STI-Testung vor dem ersten Mal sowie bei sexueller Aktivität mehrmals im Jahr (S. 92, S. 101) können epidemiologisch betrachtet als übertrieben und ängstigend bezeichnet werden. Die Darstellung von Beziehungskonzepten wie „Freundschaft plus“, offenen Partnerschaften und Polyamorie (S. 86), von Sextoys oder BDSM-Praktiken mögen aus vielfaltsbewusster Perspektive einleuchten, finden sich aber in der jugendlichen Lebenswelt kaum wieder: Jugendliche sind in großer Mehrheit monogam oder wünschen dies, führen geschlossene Beziehungen oder präferieren diese und lernen Sextoys oder BDSM-Praktiken wenn überhaupt erst zu einem späteren Zeitpunkt in ihrer sexuellen Biografie kennen. Auch den konsensmoralischen Plädoyers in „Sex in echt“ mangelt es an Zurückhaltung und Ambiguitätstoleranz. Die Aufforderungen zur permanenten Verständigung und Selbstuntersuchung darüber, ob in einer sexuellen Situation oder Handlungskette sexuelle Übergriffe stattfinden (könnten) (S. 82 ff.), verschärfen konsensmoralische Imperative und zeugen von einer Tendenz zur Regulierung und Steuerung sexueller Verhaltensweisen.

3. Das besondere Augenmerk der Veröffentlichung auf trans- und zwischengeschlechtliche Phänomene hat nur wenig mit der sozialen Wirklichkeit eines Großteils der jugendlichen Leser*innen zu tun. Die in „Sex in echt“ vorgenommenen Geschlechtskonstruktionen können in dieser Hinsicht als einseitig und teilweise manipulativ bezeichnet werden. Frauen/Mädchen und Männer/Jungen kommen im ersten Viertel des Buches nicht vor und werden schließlich nur als Repräsentant*innen eines binären Geschlechtersystems und der Zweigeschlechtlichkeit problematisiert. Zu einer Thematisierung der psychischen Besetzung des Körpergeschlechts und der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der sexuellen Sozialisation kommt es jedoch nicht. Demgegenüber erhält die Beschreibung von transgeschlechtlichen und nicht-binären Selbstentwürfen, Neopronomen und Hilfsmitteln in der Transition (wie Tucking Pants, Binder oder Packer) ausführlich Raum. Gegenüber dieser auffallend vorrangigen Beleuchtung zwischengeschlechtlicher und sogenannter genderfluider Konzepte bleibt die Frage offen, inwiefern hier eine Tendenz zur Auflösung der Geschlechterdifferenz auszumachen ist, die bei „Sex in echt“ dazu führt, dass alle jugendlichen Leser*innen behandelt werden, als ob sie trans sind oder trans werden könnten.

Ein abschließendes Urteil zum Aufklärungsbuch „Sex in echt“ bleibt also ambivalent, will man es nicht einseitig in affirmativer Zustimmung oder pessimistischer Abwehr aufgehen lassen. Zumal die nicht unwichtige Bewertungsebene für Publikationen dieser Art durch ihre zentralen Zielgruppen – Jugendliche, junge Erwachsene und pädagogische Praktiker*innen – erfolgen sollte. Für die sexualwissenschaftlich versierten Leser*innen lohnt sich ein Blick ins Buch aber in jedem Fall, ist es doch aus gesellschaftstheoretischer Perspektive – wie jedes andere Aufklärungsbuch auch – vor allem eines: ein (auch) ideologisches Produkt seiner Zeit.

Marco Kammholz (Köln)



Publication History

Article published online:
12 September 2023

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