Nervenheilkunde 2023; 42(10): 721-726
DOI: 10.1055/a-2132-4614
Schwerpunkt

Prävention von (sexualisierter) Gewalt in medizinischen Institutionen als Krisenprävention

Theoretische Fundierung und praktische UmsetzungPrevention of child (sexual) abuse in medical institutions as crisis preventionTheoretical background and practical implementation
Ulrike Hoffmann
1   Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm
,
Jörg Michael Fegert
1   Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm
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ZUSAMMENFASSUNG

Gegenstand und Ziel In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle von (sexualisierter) Gewalt in medizinischen Institutionen bekannt. Dies führte vielfach zu einer institutionellen Krise, da keine Abläufe für solche Fälle in der Institution etabliert waren.

Material und Methoden Dargestellt werden Formen von Risikofaktoren für Gewalt in medizinischen Institutionen, Einteilungen von Prävention sowie der Aufbau eines Schutzkonzeptes gegen (sexualisierte) Gewalt.

Ergebnisse Es gibt eine Vielzahl von Risikofaktoren. Maßnahmen gegen (sexualisierte) Gewalt an Kindern und Jugendlichen werden in ein Schema nach universeller, selektiver und indizierter Prävention eingeordnet.

Schlussfolgerung(en) Die Entwicklung eines Schutzkonzeptes kann bei einem partizipativen Ansatz dazu beitragen, dass alle Personen in einer Institution miteinander ins Gespräch kommen und sich das Institutionsklima verbessert. Die Einteilung in universelle, selektive und indizierte Prävention berücksichtigt die unterschiedlichen Bedarfe von Risikogruppen.

Klinische Relevanz Medizinische Institutionen sind durch eine Änderung in der QM-Richtlinie des G-BA seit 2020 verpflichtet, ein Schutzkonzept gegen (sexualisierte) Gewalt zu entwickeln.

ABSTRACT

Objective In the past years, cases of (sexual) abuse in medical institutions have been reported several times. In many cases, this resulted in an institutional crisis, as no processes for dealing with such cases had been established in the institution.

Material and methods Forms of risk factors for violence in medical institutions, classifications of prevention as well as the development of safeguarding measures against (sexual) abuse are presented.

Results There are a variety of risk factors. Measures against (sexual) abuse towards children and adolescents are classified in a structure of universal, selective, and indicated prevention.

Conclusion(s) In a participatory approach, the development of safeguarding measures can help all persons in an institution to discuss the issue and improve the institutional culture. The categorization into universal, selective and indicated prevention takes into regard the different needs of risk groups.

Clinical relevance Since 2020, medical institutions in Germany have been obliged to develop safeguarding measures against (sexual) abuse due to a change in the QM guideline of the G-BA.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
09. Oktober 2023

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