Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2023; 30(05): 225
DOI: 10.1055/a-2150-2424
Editorial

Raumfahrt ermöglicht eine nachhaltige Zukunft

Oliver Ullrich
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Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Raumfahrt war schon immer eine enorme Triebkraft für die Entwicklung neuen Wissens und neuer Technologien für die Anwendung auf der Erde: Weltraumgestützte Navigation und Kommunikation sind schon seit Langem eine der Grundlagen der modernen industriellen Lebensweise. Erdbeobachtungssatelliten gewinnen hochpräzise Daten zu Wetter, Vegetation, Landwirtschaft, Wasserressourcen, Umweltverschmutzung, Emissionen und für das Klimamonitoring. Damit sind sie unverzichtbar für das Erreichen der UN Sustainable Development Goals (SDGs). Es ist daher nicht erstaunlich, dass Weltraumaktivitäten von den Vereinten Nationen als „wesentliche Instrumente für die Verwirklichung der SDGs“ anerkannt und unterstützt werden.

Umso erstaunlicher ist es, dass die Raumfahrt in politischen Debatten immer noch einen schweren Stand hat und nicht verstanden wird, dass Raumfahrt ein wesentliches Mittel der Nachhaltigkeitziele der UN ist. Denn Nachhaltigkeit wird in der Raumfahrtdiskussion oft nur im Sinne von Vermeidung und Entfernung von Space Debris oder als Betrachtung der Emissionen von Launchern verstanden. Nicht verstanden wird, dass in Zukunft unsere terrestrischen Umwelt- und Ressourcenprobleme durch den Einsatz von Raumfahrttechnologien subtanziell angegangen werden können: Dazu gehören die Schließung von Stoff- und Energiekreisläufen, das CO2- und Methanrecycling, die biologische Herstellung von Nahrungsmitteln, die strukturelle Bioproduktion (z. B. Herstellung von Biobeton), das Recycling von Abfällen, Elektronik und Kunststoffen, das Biomining und die Gewinnung und Speicherung von Energie.

Die aktuellen Anforderungen an die Exploration von Mond und Mars sind derart hoch, dass Entwicklungen weit jenseits des bisher erreichten technischen Standes erforderlich sind. Es ist dann nur noch ein kleiner und konsequenter Schritt, diese Entwicklungen für unseren Planeten Erde anzupassen. Jedwede Investition in die Raumfahrt wird sich dann nicht nur um ein Vielfaches für die Menschheit rentiert haben, sondern kann uns sogar in eine ganz neue Ära der Nachhaltigkeit führen. Eine rückwärtsgewandte Nachhaltigkeitsstrategie, die auf Beschränkung, Einengung und überschießende Regulation setzt, ignoriert die größte Triebkraft, mit der sich Menschen schon immer weiterentwickelt haben: Schaffenskraft, Neugier, Lernwillen und Risikobereitschaft. Eine vorwärtsgewandte Nachhaltigkeitsstrategie, die das volle Potenzial von Forschung und Entwicklung der Raumfahrt ausschöpft, kann in der Lage sein, die Probleme des Planeten Erde zu lösen. Und Raumfahrt kann ein neues Bewusstsein schaffen: Dass wir uns als eine Menschheit und eine Erde verstehen. Die Kraft der Raumfahrt, Menschen zu verbinden, haben wir bisher auf allen Raumfahrtmissionen erleben können. Es sollte von uns als Zeichen gesehen werden, wozu Raumfahrt in der Lage ist: Die Menschheit in eine neue Epoche zu bringen.

Rückgewärtsgewandtes Nachhaltigkeitsdenken beruht auf existierendem Wissen und exitierender Technologie. Vorwärtsgerichtetes Nachhaltigkeitsdenken geht das Wagnis ein, ins Unbekannte vorzudringen, schafft neues Wissen und neue Technologien zum Wohle unseres Planeten Erde und führt in die Zukunft.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. Oktober 2023

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