Aktuelle Kardiologie 2023; 12(06): 413-415
DOI: 10.1055/a-2152-1880
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Thomas Klingenheben
,
Benjamin Meder

mit der vorliegenden Schwerpunktausgabe halten Sie ein Themenheft in Händen, welches mit der Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der kardiovaskulären Medizin ein „hot topic“ bearbeitet. Die KI kann inzwischen auf der Basis riesiger Datenmengen Computer so „trainieren“, dass diese in der Lage sind, Vorhersagen zu treffen oder Entscheidungen zu fällen. Im gleichen Maße, wie aktuell diese Entwicklung voranschreitet, stellen Datensicherheit und Prävention von Missbrauch noch zu lösende Voraussetzungen dar.

Im vorliegenden Heft werden aktuelle Anwendungsmöglichkeiten sowie Perspektiven von KI in der Kardiologie kritisch beleuchtet. Die bisher bereits existierenden bzw. in Entwicklung befindlichen KI-Anwendungen in der Kardiologie werden schön in der Übersicht von Radke et al. zusammengefasst (S. 433). Insbesondere im Bereich der Bildgebung sind gut etablierte Algorithmen in der klinischen Routine in Gebrauch.

Am Beispiel der Herzinsuffizienz legen Steiner et al. (S. 439) das Potenzial von KI dar, einerseits die Effizienz und Produktivität ärztlichen Handelns zu steigern und andererseits Patienten im Umgang mit ihrer Erkrankung zuverlässig zu unterstützen.

Die beim hochaktuellen Thema Automatisierte Texterstellung mittels Chat GPT allgemein in der Gesellschaft geführte Diskussion um Nutzen und Risiken von KI machen auch vor deren Anwendung im Gesundheitswesen nicht Halt. Die generative KI hat das Ziel, die Patienten-Arzt-Kommunikation direkt zu optimieren, wie Amr et al. (S. 444) schreiben. So können Vorbehandlungs-Konsultationen wie auch Aufklärungsgespräche optimiert werden. Dennoch können Informationsquellen und damit die Generierung von Antworten fehlerbehaftet sein, sodass hier noch Verbesserungsbedarf besteht. Dennoch ist absehbar, dass generative KI in Zukunft medizinische Konsultationen ergänzen wird.

In der translationalen Forschung von der Molekularbiologie bis hin zur konkreten Entwicklung neuer Pharmaka hält die KI ebenfalls Einzug. In ihrem spannenden Beitrag skizzieren Glaser und Co-Autoren exemplarisch den Einsatz von KI für die Entwicklung niedermolekularer Medikamente und Biologika sowie bei der Risikostratifikation beispielsweise hinsichtlich der Kardiotoxizität neuer Medikamente (S. 450).

Zweifellos stellt die kardiale Bildgebung ein Paradebeispiel für die Anwendung von KI dar, denn automatisierte Algorithmen haben längst Eingang in Echokardiografie, MRT, und CT gehalten, wie die Autorengruppe um S. Engelhardt und E. Nagel aus Heidelberg und Frankfurt am Main darlegen (S. 459). Als Beispiele seien hier nur Volumenanalyse oder Speckle Tracking in der Echokardiografie sowie automatisierte Bestimmung der koronaren Kalklast und Risikostratifizierung oder die CT-FFR zur hämodynamischen Beurteilung von Koronarläsionen bei der kardialen CT genannt.

Eine ebenfalls bereits etablierte Anwendung von KI stellt zudem die automatisierte EKG-Diagnostik durch sogenannte „Wearables“ – tragbare Devices zur Herzrhythmus-Diagnostik – dar. Frau Kollegin H. Hillmann und Co-Autoren beschreiben den aktuellen Stand der Anwendung von Wearables, welche gerade in den letzten wenigen Jahren durch deutliche Qualitätsverbesserung von mit Smartwatches aufgezeichneten EKGs eine weite Verbreitung erfahren hat. Dabei wird betont, dass bei jeglicher automatisierter EKG-Diagnostik die endgültige Klassifizierung durch ärztliche Vidierung erfolgen muss (S. 467).

Es ist mehr als naheliegend, dass KI in telemedizinische Anwendungen einhergehen und diese verbessern wird. C. Römmelt und die Arbeitsgruppe von F. Köhler betonen, dass die politisch geforderte flächendeckende Anwendung von Telemedizin beispielsweise in der Herzinsuffizienz eine so große Menge an Daten generiert, dass diese ohne KI gar nicht vernünftig gemanagt werden können. Als hochinteressanter neuer Risikomarker wird in diesem Kontext die automatisierte Stimmanalyse hinsichtlich der Erkennung einer drohenden kardialen Dekompensation vorgestellt (S. 475).

Für die Young Cardiologists in der DGK benennen V. Johnson und P. Breitbart den aktuellen Mangel an Lehr- und Fortbildungskonzepten zur Anwendung von KI in der klinischen Medizin (S. 482). Eine strukturierte Aus- und Weiterbildung in diesem sich rasant entwickelnden Feld und die Vermittlung digitaler Kompetenzen als ein „Tool“ ärztlichen Handelns stehen erst an ihren Anfängen und müssen dringend flächendeckend etabliert werden, beginnend mit dem Studium.

Zusammenfassend ist das vorliegende Themenheft ein hochaktuelles Nachschlagewerk zum aktuellen Stand der KI in Medizin und Kardiologie.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Prof. Benjamin Meder, Heidelberg

Prof. Thomas Klingenheben, Bonn



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Article published online:
20 November 2023

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