Notfallmedizin up2date 2024; 19(03): 293-314
DOI: 10.1055/a-2159-5130
Allgemeine und organisatorische Aspekte

Schutz der Einsatzkräfte

Michael Corzillius

Die Arbeit im Rettungsdienst birgt eine ganze Reihe unterschiedlicher Gefahren von Unfällen auf der Einsatzfahrt über Verletzungen bei Rettungsarbeiten bis hin zu Gewalterfahrungen und psychischen Traumatisierungen. Zahlreiche Regeln zum Arbeitsschutz der Einsatzkräfte wurden geschaffen, die von den Rettungsdienstleitungen umzusetzen und von den Mitarbeitenden zu beachten sind, um die relevanten Gefahren zu identifizieren und wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Kernaussagen
  • Die Arbeitsschutzregeln verpflichten den rettungsdienstlichen Arbeitgeber, die vielfältigen Gefahren für Einsatzkräfte systematisch zu beurteilen, Schutzmaßnahmen festzulegen und die Mitarbeitenden darin zu unterweisen. Technische und organisatorische Schutzmaßnahmen haben Vorrang vor personenbezogenen.

  • Um Unfallgefahren auf der Rettungswache zu beseitigen, gelten präzise bauliche Vorschriften. Die Anordnung von Funktionsräumen ist ebenfalls geregelt, um Keimverschleppungen aus dem Einsatzgeschehen in die Gemeinschaftsräume zu verhindern.

  • Um die Unfallgefahr bei Einsatzfahrten zu minimieren, sollen Mitarbeitende in Verkehrsrecht und im verantwortungsvollen Umgang mit Sonder- und Wegerechten geschult werden. Fahrsicherheits- und Fahrsimulatortrainings können zusätzlich helfen, Unfälle zu vermeiden.

  • Der Rettungsdienst ist verpflichtet, vorschriftsmäßige persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Verfügung zu stellen. Die Einsatzkräfte sind verpflichtet, diese vorschriftsmäßig zu nutzen.

  • Den Einsatzkräften ist modernes Rettungsgerät zur Verfügung zu stellen, mit dem wirbelsäulenbelastende Hebe- und Tragevorgänge vermieden werden. Persönliche Maßnahmen wie Rückenschule oder Muskelaufbau können diese ergänzen, aber nicht ersetzen.

  • Der Rettungsdienst hat Vorsorge zu treffen für psychisch belastende Einsatzsituationen. Kernelemente sind sofortige Außerdienstnahme und schnelle psychosoziale Erstbetreuung, gefolgt von umsichtiger Begleitung und sorgfältiger Beobachtung, um den Bedarf einer weitergehenden Psychotherapie zu erkennen und zu bedienen.

  • Es sind Vorkehrungen zu treffen für den Fall, dass Mitarbeitende im Einsatz verbaler oder physischer Gewalt ausgesetzt sind. Durch Deeskalationstraining können Mitarbeitende lernen, Gefahren frühzeitig zu erkennen, Konflikte, falls möglich, zu entschärfen oder, falls nicht möglich, durch Rückzug zu vermeiden. Notrufmöglichkeiten sollten eingerichtet sein. Alle Übergriffe gegen eigene Kräfte sollen dokumentiert, nachbearbeitet und strafrechtlich verfolgt werden.

  • Infektionsschutz ist von zentraler Bedeutung im rettungsdienstlichen Arbeitsschutz. Neben Unterweisungen in den Hygieneplan, arbeitsmedizinischer Vorsorge und griffbereitem Hygienematerial in ausreichenden Mengen sind Sicherheitskanülen zur Vermeidung von Nadelstichverletzungen erforderlich. Falls es dennoch zu einer Verletzung kommt, müssen die weiteren Maßnahmen festgelegt sein, inklusive einer sofort anlaufbereiten ärztlichen Versorgungsstelle, bei der eine Postexpositionsprophylaxe gegen Hepatitis C, HIV oder Meningokokken eingeleitet werden kann.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. September 2024

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  • Literatur

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