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DOI: 10.1055/a-2165-9815
Planung und Durchführung von Big-Data-gestützten Studien in der Augenheilkunde im Lichte der DSGVO
Artikel in mehreren Sprachen: deutsch | English
Zusammenfassung
Die Verarbeitung des retrospektiven Datenpools für die Augenheilkunde birgt enormes Potenzial, insbesondere für den Forschungsbereich. „Big Data“ ermöglicht es der medizinischen Wissenschaft, aus vergangenheitsbezogenen Daten Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Auf Grundlage der Auswertung solcher Daten ließen sich etwa Algorithmen trainieren, die in der Lage wären, mithilfe künstlicher Intelligenz Entscheidungen zu treffen. So könnte bspw. der ärztliche Entscheidungsfindungsprozess für gewisse Fragestellungen beschleunigt, in qualitativer und quantitativer Hinsicht bereichert oder gar übernommen werden. Die Augenheilkunde ist ein Fachgebiet, das sich rapide weiterentwickelt. Aufgrund der Vielzahl an teils automatisierten Bildgebungstechnologien und der prädestinierten Zugänglichkeit des Auges dafür, eignet sich die Augenheilkunde ähnlich wie die Radiologie oder Dermatologie für die von künstlicher Intelligenz assistierte Bilddatenanalyse und damit oft einhergehende Diagnosestellung und Therapieeinleitung. Es existieren inzwischen viele Studien, die sich auf die KI-assistierte Bilddatenanalyse von ophthalmologischen Bilddaten stützen. Soweit die Algorithmen durch Rechenregeln aus den Datenmengen der jeweiligen Datenpools Ergebnisse herausfiltern und sogar dazu fähig sind, auf der Basis von Entscheidungsbäumen eigenständig Entscheidungen zu treffen, liegt der enorme Nutzen und gleichsam der Gewinn für die wissenschaftliche Forschung auf der Hand. Entsprechend wäre eine möglichst ungehinderte und umfassende Möglichkeit entsprechender Datenverarbeitungen dieser Gesundheitsdaten für die augenheilkundliche Forschung wünschenswert. An das nur auszugsweise dargestellte Potenzial für die Augenheilkunde schließt sich die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit an. Dabei sind insbesondere die rechtlichen Maßgaben und Grenzen des europäischen und nationalen Datenschutzrechts zu berücksichtigen, die vor einer unreflektierten Verarbeitung personenbezogener (Gesundheits-)Daten umzusetzen sind. Nur so können vorhandene Hürden und Fallstricke, die zu empfindlichen Bußgeldern führen können, ausgeräumt werden. Ausschlaggebend sind bislang insbesondere die Maßgaben zweier Gesetzestexte: Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Der Artikel liefert einen Überblick über die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben, die es im Bereich der Augenheilkunde gibt, und zeigt die wesentlichen Fallstricke und Umsetzungserfordernisse auf.
Schlüsselwörter
Big Data - retrospektive Datenpools - künstliche Intelligenz - DSGVO - BDSG - personenbezogene DatenPublikationsverlauf
Eingereicht: 29. Januar 2023
Angenommen: 31. August 2023
Accepted Manuscript online:
04. September 2023
Artikel online veröffentlicht:
28. Juni 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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