Klin Padiatr 2024; 236(02): 148
DOI: 10.1055/a-2175-6120
Gesellschaftsmitteilungen

Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie

Johannes-Wenner-Preis – Auswirkungen erhöhter Rhinovirus-Zirkulation auf die Entwicklung von Asthma im frühen Kindesalter

In der multizentrischen longitudinalen Asthmastudie „AllAgeAsthmaCohort“ (ALLIANCE) konnte anhand einfach verfügbarer Biomarker der Asthma-Phänotyp „T2-high“ charakterisiert und vom Kleinkind- bis ins Erwachsenenalter identifiziert werden. Er zeichnet sich durch einen Beginn der Erkrankung im frühen Kindesalter, einer Persistenz ins Erwachsenenalter und einem hohen Therapiebedarf aus. „T2 high“ – Asthma ist mit viralen respiratorischen Infektionen durch den respiratrory syncytial Virus (RSV) und den Subtypen A und C des Rhinovirus (RV) assoziiert. Infektionen mit RSV und RV haben in Folge der coronabedingten Hygienemaßnahmen drastisch zugenommen. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Identifikation von möglichen Risikovarianten des Rhinovirus mittels Sequenzierung von Rhinovirus-Isolaten aus Nasen-/Rachenabstrichen in Patienten mit kürzlich abgelaufener Rhinovirusinfektion. In diesem Projekt sollen auf Basis der ALLIANCE Kohorte und der PROTECT Study (Pediatric RhinOvirus DeTEction and Correlation With Early AsThma) detailliertere Immunmechanismen, die der Assoziation von RV Infektionen und dem „T2 high“ Asthma zugrunde liegen, untersucht werden.

Mit der klinischen, immunologischen und molekulargenetischen Charakterisierung von Asthmaphänotypen wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche zugrundeliegende Pathomechanismen, die zur Entstehung und dem Verlauf der Erkrankung beitragen, entschlüsselt. Eine besondere Rolle spielt der Asthmaphänotyp „T2-high“, der bisher vor allem im Erwachsenalter im Fokus stand. Bisherige Diagnosekriterien dieses Typs resultieren aus Studien mit adulten Patienten und basieren auf Biomarkern, die bei Kindern entweder schwer zu gewinnen sind (z. B. Sputum), oder für die keine altersspezifischen Grenzwerte im Kindesalter verfügbar sind. In einer Studie im Rahmen der AllAgeAsthmaCohort (ALLIANCE) wurden nun Biomarker für Kinder evaluiert. Grenzwerte für eosinophile Granulozyten konnten anhand einer gesunden Kontrollgruppe festgelegt werden. Basierend auf einfach verfügbaren Parametern (spezifisches IgE im Serum und eosinophilen Granulozyten aus dem Blutbild) gelang eine Charakterisierung des T2-high Phänotyps über alle Altersklassen, vom Kleinkindalter bis ins späte Erwachsenenalter. Es konnte gezeigt werden, dass der „T2-high“ Phänotyp bereits im frühen Kindesalter auftritt, meist ins Erwachsenenalter persistiert und mit einem hohen Therapiebedarf einhergeht [1]. Das bei diesem Phänotyp auftretende Zytokinprofil spiegelt eine Dysbalance des Immunsystems wider, die mit der Manifestation weiterer atopischer Erkrankungen, wie dem atopischen Ekzem, Nahrungsmittelallergien und der allergischen Rhinitis, einhergeht. Patienten mit diesem Phänotyp leiden aber auch früh im Kindesalter unter rezidivierenden obstruktiven Bronchitiden, die meist durch virale Erreger ausgelöst werden [2]. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die antivirale angeborene Immunantwort bei Asthma weniger effektiv ist, so dass vermutet wird, dass die angeborene Immunität eine Schlüsselrolle während einer Rhinovirus-induzierten Exazerbation einnimmt [3] [4].

Neben der Rolle als Trigger für Exazerbationen wurde in Studien gezeigt, dass frühe Infektionen mit dem respiratorischen syncytial Virus und mit dem Rhinovirus signifikant mit einer Erhöhung des Asthmarisikos assoziiert sind [2] [5] [6]. Raita et al. zeigten, dass Kinder, die im frühen Kindesalter mit dem Rhinovirus vom Typ A und C infiziert waren, ein hohes Risiko haben, im Alter von 3 Jahren unter wiederholten Episoden obstruktiver Atemwegserkrankungen, und im Alter von 5 Jahren an Asthma zu leiden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Infektion ein T2-high-typisches Zytokinprofil vorliegt [7] [8]. Im Rahmen von Atemwegsinfektionen, die durch respiratorische Viren ausgelöst werden, kommt es zur Freisetzung von Chemokinen (z. B. CCR9, CXCL16) und Zytokinen (u. a. TSLP, IL33, IL25). Diese führen über verschiedene Mechanismen zu einer Aktivierung von „Type 2 innate lymphoid cells (ILC2)“, die eine wichtige Rolle in der Immundysregulation des Type 2 Asthmas spielen [3] [4] [9].

Im Rahmen der Coronapandemie und den damit vergesellschafteten Restriktionen, die zu einer massiven Reduktion der Exposition gegenüber respiratorischen Pathogenen geführt hat, wurde der Einfluss von respiratorischen Infekten auf Patienten mit pulmonalen Vorerkrankungen eindrücklich sichtbar. In einer Befragung von Patienten mit rezidivierenden obstruktiven Bronchitiden aus der ALLIANCE Kohorte, berichteten 30% der Betroffenen, dass sich der Krankheitsverlauf in den Lockdown Phasen deutlich stabilisiert oder sogar gebessert habe [10]. Die subjektive Einschätzung der Probanden konnte anhand einer Reduktion des medikamentösen Therapiebedarfs und stabilen Krankheitsverläufen nach GINA Kriterien belegt werden. Nach Beendigung der Schutzmaßnahmen wurde erstmals im Sommer 2020 weltweit ein saisonal untypischer Anstieg von respiratorischen Infekten bei Kindern beobachtet. In einer retrospektiven Erhebung aktueller Daten zu positiven Virusnachweisen bei Patienten im Dr. von Haunerschen Kinderspital, LMU Klinikum, München wurde eine drastische Zunahme an Infektionen, insbesondere mit Rhinovirus und RSV, im Jahr 2020 und 2021 nachgewiesen [11]. Parallel hierzu zeigte sich in einer weiteren Befragung in der ALLIANCE Kohorte eine Zunahme der Exazerbationen, besonders bei Kindern unter 6 Jahren. In einer Auswertung von Rhinovirus- und RSV- spezifischen IgG Antikörpern aus dem Serum dieser Patienten, konnte der beobachtete Zusammenhang zwischen Erkrankungsverlauf und wiederholten viralen Infekten validiert werden (Illi S., Schaub B., Maison N., von Mutius et.al., Veröffentlichung in Fertigstellung). Aktuelle, bisher nicht veröffentlichte Daten aus der Münchner Universitäts-Kinderklinik, zeigen eine besorgniserregende Fortsetzung der oben skizzierten Entwicklung für das Jahr 2022. Im Vergleich zu den „Vorpandemie“-Jahren 2017-2019, wurde knapp eine Vervierfachung der positiven Nachweise von respiratorischen Viren bis November 2022 beobachtet (Rhino-, humanes Metapneumo-, Parainfluenzavirus, saisonale Coronaviren, SARS-CoV-2, Influenza und RSV; 2019 n=597 vs 2022 n=2243). Die Zahl der Rhinovirusinfektionen war in diesem Zeitraum sogar mehr als achtmal höher als 2019 (2019 n=101 vs 2022 n=846) (Maison N, von Both U., et al., eingereicht) ([Abb. 1]). Immense Auswirkungen auf Patienten mit bereits bestehendem Asthma und auf künftige Neuerkrankungen sind zu befürchten und sollen daher im Fokus dieses Forschungsvorhabens an der Schnittstelle von Infektiologie und Allergologie stehen.

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Abb. 1 Rhinovirus-Nachweise bei Patienten im Dr. von Haunerschen Kinderspital, LMU Klinikum, München von Januar 2019 – November 2022

Dr. Nicole Maison, München



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Article published online:
22 February 2024

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  • Literatur

  • 1 Maison N, Omony J, Illi S. et al. T2-high asthma phenotypes across lifespan. Eur Respir J 2022; 60: 2102288 DOI: 10.1183/13993003.02288-2021.
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  • 3 Veerati PC, Troy NM, Reid AT. et al. Airway Epithelial Cell Immunity Is Delayed During Rhinovirus Infection in Asthma and COPD. Front Immunol 2020; 11: 974
  • 4 Yang Z, Mitlander H, Vuorinen T, Finotto S. Mechanism of Rhinovirus Immunity and Asthma. Front Immunol 2021; 12: 731846
  • 5 Kotaniemi-Syrjanen A, Reijonen TM, Korhonen K. et al. Wheezing due to rhinovirus infection in infancy: Bronchial hyperresponsiveness at school age. Pediatr Int 2008; 50: 506-510
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  • 9 Beale J, Jayaraman A, Jackson DJ. et al. Rhinovirus-induced IL-25 in asthma exacerbation drives type 2 immunity and allergic pulmonary inflammation. Sci Transl Med 2014; 6: 256ra134
  • 10 Maison N, Herbruggen H, Schaub B. et al. Impact of imposed social isolation and use of face masks on asthma course and mental health in pediatric and adult patients with recurrent wheeze and asthma. Allergy Asthma Clin Immunol 2021; 17: 93
  • 11 Maison N, Peck A, Illi S. et al. The rising of old foes: impact of lockdown periods on "non-SARS-CoV-2" viral respiratory and gastrointestinal infections. Infection 2022; 50: 519-524