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DOI: 10.1055/a-2176-4960
Transitionspsychiatrie: eine Chance für die Psychiatrie als Ganzes
Transition Psychiatrie: learnings for psychiatry as a whole![](https://www.thieme-connect.de/media/psychiat-praxis/202308/lookinside/thumbnails/21764960_10-1055-a-2176-4960-1.jpg)
Was ist Transitionspsychiatrie
Die Transitionspsychiatrie ist ein relativ neues Feld innerhalb der Psychiatrie und fokussiert in den meisten Konzepten auf Menschen etwa zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr [1]. Sie versteht sich als gemeinsamer Bereich von Kinder-/Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie, der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein stabiles Setting bietet, um die Entwicklungsaufgaben des Erwachsenwerdens zu bewältigen. In der klassischen Versorgungsstruktur werden diese Entwicklungsaufgaben durch den Wechsel zwischen Kinder/Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie mit dem 18. Geburtstag oft jäh unterbrochen, was sich nachteilig auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirkt [2].
Der Fokus auf junge Menschen ist gesellschaftlich hoch relevant. Etwa 75% aller psychischen Erkrankungen treten das erste Mal in der Adoleszenz auf [3] [4]. Sie haben Konsequenzen für das gesamte weitere Leben, beeinflussen Gesundheit, wirtschaftliches Fortkommen und soziale Partizipation auf lange Sicht negativ, führen zu Belastung für Familiensystem und Umfeld und zu vorzeitiger Sterblichkeit und sind damit mit enormen finanziellen und gesellschaftlichen Kosten verbunden [5] [6]. In der Jugend spielen psychische Erkrankungen die Hauptrolle bei gesundheitlichen Einschränkungen der Bevölkerung, erst rund um das 30. Lebensjahr beginnen andere Erkrankungen langsam relevanter zu werden als psychische [7]. Die Transitionsphase ist zugleich entscheidend für das Erlangen einer qualifizierten Ausbildung, stabiler Beziehungen, finanzieller Sicherheit und anderer sozio-ökonomisch relevanter Ziele des Erwachsenwerdens.
Die Transitionspsychiatrie stellt sich klinisch diesen spezifischen psychischen Herausforderungen der Aufgaben und Prozesse des Erwachsenwerdens vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels. Sie hat damit weit mehr Bedeutung als nur die einer „geregelten Übergabe“ von Patient*innen aus einer Versorgungsstruktur in eine andere. Die Überwindung der Haltungsunterschiede von Kinder-/Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie und das Schaffen eines gemeinsamen Verständnisses für die Altersphase ist nicht nur Schlüssel zu einer gelungenen Transitionspsychiatrie. Eine gelungene transitionspsychiatrische Haltung kann Vorbild für die Psychiatrie als Ganzes sein. Denn Entwicklung findet ein ganzes Leben lang statt.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
16. November 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart,
Germany
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Literatur
- 1 Schrank B. Transitionspsychiatrie – ein Definitionsversuch mit Praxisbezug. psychopraxis.neuropraxis 2022; 25: 100-102
- 2 Rout S, Ignatyev Y, Schwarz J. et al. Transition von der Kinder- und Jugend- hin zur Erwachsenenpsychiatrie in einer deutschen Metropolenregion: Eine explorative Querschnittstudie. Psychiat Prax 2023; 50: 234-240
- 3 Kessler RC, Amminger GP, Aguilar-Gaxiola S.. et al. Age of onset of mental disorders: A review of recent literature. Curr Opin Psychiatry 2007; 20: 359-364
- 4 Patalay P, Fitzsimons E. Development and predictors of mental ill-health and wellbeing from childhood to adolescence. Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 2018; 53: 1311-1323
- 5 Andreae A. Psychogenetische und psychodynamische Aspekte von Störungen in der Adoleszenz. Schweiz Arch Für Neurol Psychiatr 2006; 157: 212-220
- 6 Karow A, Lipp M, Schweigert E. et al. Alters-, diagnose- und fachübergreifende stationäre Behandlung für Jugendliche und junge Erwachsene (16 – 25 Jahre) in der Adoleszenzpsychiatrie. Psychiat Prax 2018; 45: 248-255
- 7 Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME). Global Burden of Disease (15.10.2020). Im Internet: http://www.healthdata.org/data-visualization/gbd-compare
- 8 Mayr M, Kapusta ND, Plener PL. et al. Transitionspsychiatrie der Adoleszenz und des jungen Erwachsenenalters. Z Für Psychiatr Psychol Psychother 2015; 63: 155-163
- 9 Dürr A, Gonzalez-Martin A, Urban M. et al. Mind the gap – Forderungen für eine verbesserte transitionspsychiatrische Versorgung aus Expert*innenperspektive. Psychiat Prax, eingereicht.
- 10 Amering M, Schmolke M. Recovery: Das Ende der Unheilbarkeit. Köln: Balance buch + medien verlag Psychiatrie Verlag; 2011
- 11 Reichl C, Kaess M. Dialektisch-Behaviorale Therapie für Adoleszente. Psychotherapeut 2019; 64: 159-174
- 12 Von Auer AK, Kleindienst N, Ludewig S. et al. Zehn Jahre Erfahrung mit der Dialektisch-Behavioralen Therapie für Adoleszente (DBT-A) unter stationären Bedingungen – die Station Wellenreiter. Z Für Kinder- Jugendpsychiatrie Psychother 2015; 43: 301-315
- 13 Meng H, Bürgin D. Soll eine Jugendpsychiatrische Klinik offen geführt werden?. – Erste Auswertung von sieben Jahren Erfahrung 2002;