Laryngorhinootologie 2024; 103(01): 8-9
DOI: 10.1055/a-2177-5330
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Biomarker prognostiziert Ergebnis der Cochlea-Implantation bei Taubheit“

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*** Bei erwachsenen Kandidaten für eine Cochlea-Implantation wurden in der Vergangenheit verlässliche klinische Vorhersagewerte für die postoperative Hörleistung mit dem Implantat definiert [1]. Bei bereits prälingual ertaubten Kindern spielen neben Fehlbildungen häufig genetische Faktoren eine Rolle. Die hier vorliegende Studie stellt einen Zusammenhang zwischen dem Serumwert der Matrix Metalloproteinase-9 (MMP-9) mit klinischen Fragebogenergebnissen des LittlEARS Auditory Questionnaire (LEAQ) her. Ein niedriger Serumwert soll als Biomarker für eine bessere Hörleistung mit dem Cochlea-Implantat dienen. Der LEAQ ist ein fragebogenbasierter Hörfrüherkennungstest mit normativen Daten, der es Fachleuten ermöglicht, die sprachliche Entwicklung eines Kindes im zeitlichen Verlauf zu beurteilen. Klinische Einflüsse auf diese Sprachentwicklung hängen aber sehr stark vor allem auch von der individuellen Elternförderung, dem Entwicklungsstand des Kindes, von Begleiterkrankungen, von der zurückliegenden Hörgeräteversorgung und der Dauer der Taubheit vor der Implantation ab. Diese Einflussgrößen finden in der vorliegenden Arbeit nur bedingt Beachtung.

Grundsätzlich stellt die Identifikation von Biomarkern, welche die Fähigkeit des Gehirns zur plastischen Umformung widerspiegeln soll, eine vielversprechende und nützliche Ergänzung in der prätherapeutischen Diagnostik von Hörstörungen dar. Solche Informationen können Grundlage für die Beratung der Eltern vor der Versorgung des Kindes mit einem Cochlea-Implantat sein.

Allerdings gilt es, vorab die Frage zu klären, inwieweit eine klinische Konsequenz aus dieser Kenntnis gezogen werden kann bzw. darf. MMP-9 scheint zwar ein vielversprechender Biomarker für eine gute auditorische Leistung zu sein [2], allerdings sind die Regulierung von MMP-9 komplex, und die genauen Mechanismen, durch die MMP-9 die Prozesse der Gedächtnis- und Sprachbildung beeinflusst, noch nicht vollständig geklärt [3].

Rückschlüsse darüber allerdings, inwieweit CI-Kinder, die bei der Implantation einen höheren MMP-9-Serumspiegel haben, nach erfolgreicher Rehabilitation nicht auch gut von ihrem Implantat profitieren können, sollten auf Basis der vorhandenen Daten eher zurückhaltend getroffen werden. Ein Einsatz der Ergebnisse ist allenfalls zukünftig für die Beratung der Eltern denkbar, wenn es um den Rehabilitationsaufwand und die zu erwartenden Ergebnisse geht. Eine klinische Konsequenz ist daher eher im Hinblick auf eine noch intensivere Förderung der Kinder mit einem höheren Serumlevel zu sehen. Diese Kinder benötigen gegebenenfalls eine zusätzliche individuelle Aufmerksamkeit und Unterstützung während der Sprachrehabilitation, und die Eltern können dahingehend beraten werden, dass die Rehabilitation zeitlich intensiver ablaufen könnte und ggf. mit langsameren Erfolgen zu rechnen ist.

Um Diagnostik- und Behandlungsempfehlungen aus der vorliegenden Arbeit abzuleiten, sollten zuvor weitere Untersuchungen an größeren Kohorten mit längeren Nachuntersuchungsintervallen unter Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren erfolgen, um die Ergebnisse zu verifizieren und belastbare Daten zu generieren. Die Ergebnisse sind daher aktuell eher unter grundlagenwissenschaftlichem Interesse zu verstehen. Viele der vorhandenen Daten, welche sich auf diesen Zusammenhang beziehen, stammen aus der gleichen Arbeitsgruppe und behandeln sich überschneidende Patientenkohorten. Eine Überprüfung durch zusätzliche größere Kohorten steht noch aus. Weiterhin sollte insbesondere auf weitere die Neuroplastizität beeinflussende Faktoren hin untersucht werden.

Fazit

MMP-9 scheint zwar ein vielversprechender Biomarker für eine gute auditorische Leistung zu sein. Die Studie hat einen Innovationscharakter, beinhaltet aber derzeit noch keine klinisch belastbaren Daten. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie könnten perspektivisch dazu geeignet sein, die MMP-9-Serumwerte als prognostischen Marker zu bestimmen, um die Plastizität des Hörsystems besser zu verstehen und eine Beratung der Eltern hinsichtlich des zu erwartenden individuellen Rehabilitationsaufwandes zu verbessern. Um jedoch konkrete Diagnostik- und Behandlungsempfehlungen aus der vorliegenden Arbeit abzuleiten, sollten zuvor weitere Untersuchungen an größeren Kohorten mit längeren Nachuntersuchungsintervallen erfolgen und klinische Einflussfaktoren schärfer herausgearbeitet werden.



Publication History

Article published online:
05 January 2024

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