Aktuelle Dermatologie 2023; 49(12): 541-542
DOI: 10.1055/a-2193-0709
Editorial

Brustkrebs oder Melanommetastase?

Breast Cancer or melanoma metastasis?
Christiane Bayerl
1   Klinik für Dermatologie und Allergologie, Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden, Wiesbaden, Deutschland
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Eine 64-jährige Patientin stellt sich wegen einer Lymphknoten (LK)-Metastase am rechten Unterschenkel 3 Jahre nach Exzision eines superfiziell spreitenden Melanoms von 0,65 mm am rechten Unterschenkel vor. Sie wurde entsprechend der Leitlinien operiert, weiter versorgt und in die Nachsorge eingeschlossen. Nach einem Fahrradsturz tastete sie einen Knoten an der linken Brust im oberen äußeren Quadranten, 1,5 Jahre nach der Entfernung der LK-Metastase am rechten Unterschenkel. Die externe Gynäkologin stellte ultraschallgestützt die Diagnose einer Zyste. Die Bildgebung im Rahmen des Stagings zeigte dagegen einen auffälligen Befund im Sinne einer Melanommetastase. Durch dieser divergierenden Befundbeschreibungen verunsichert, entschied sich unsere Patientin für eine Stanzbiopsie – entgegen der dermatoonkologischen Empfehlung. Eine Streuung vom rechten Unterschenkel an die linke Mamma erschien ihr unwahrscheinlich. Sie vermutete Brustkrebs zu haben. Die Histologie der Stanzbiopsie bestätigte eine Melanommetastase. Danach erst erfolgte die Tumorexzision, in der Folge eine Immuntherapie. Die Patientin tastete 6 Monate später erneut einen Knoten an der linken Brust. Sie wünschte erneut eine Stanzbiopsie, danach erst die Exzision des Tumors. Nach Rücksprache mit den gynäkologischen Kollegen im Rahmen der Aufarbeitung des Verlaufs wurde bei der zweiten OP der intraoperative Situs beschrieben. Im Bereich des ersten Stanzkanals waren Absiedlungen des Melanoms sichtbar geworden, sodass dann beim zweiten Eingriff beide Stanzkanalverläufe mit entfernt wurden. Bei b-raf-negativem Tumorgewebe erfolgt aktuell eine Immuntherapie mit Ipilimumab/Nivolumab.

Melanommetastasen in die Mamma sind möglich, aber mit 1–2% extrem selten [1] [2] [3]. Im beschriebenen Fall ist die Primärlokalisation am rechten Unterschenkel und die Metastasierung in die linke Mamma, also nach kontralateral, besonders ungewöhnlich. Melanommetastasen an der Mamma finden sich zumeist im oberen äußeren Quadranten. Sie imponieren als solitäre subkutane Knoten, zeigen keine Einziehung an der Haut und keine Rötung. Axilläre Metastasen finden sich in diesem Stadium bei 14% der Patientinnen.

Melanommetastasen an der Mamma treten im Median 62 Monate nach der Melanomerstdiagnose auf, noch seltener sind sie das erste Zeichen einer Metastasierung. In der Zeit der Studien vor der Immuntherapie-Ära wurde ein medianes Überleben nach Melanommetastase in die Mamma mit 6–13 Monaten angegeben. Brustmetastasen extramammärer Tumore stammen nach Häufigkeit von 1.) Lunge, 2.) Lymphomen, 3.) Melanomen, 4.) gastrointestinalen Tumoren, u.a. [4] [5] [6] [7].

Die Lernbotschaft dieses Verlaufs ist, dass Melanommetastasen in der Mamma selten sind und daher oft fehldiagnostiziert werden. Eine Streuung über Stanzkanäle ist vorstellbar. Während Dermatologen bei verdächtiger Bildgebung üblicherweise für In-sano-Exzisionen ohne vorherige Biopsien plädieren, sind unsere gynäkologischen Kollegen an Biopsieren/Stanzen gewöhnt. Das sollte uns bewusst sein, damit wir rechtzeitig das interdisziplinäre Gespräch suchen. Heutzutage hilft beim Melanom in der Anamnese und einem Knoten in der Brust das PET-CT am spezifischsten; dann muss keine Biopsie mehr erfolgen, dann ist die Gesamt-Exzision zu fordern.

Christiane Bayerl, Wiesbaden



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
13. Dezember 2023

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