Pneumologie 2024; 78(02): 81-82
DOI: 10.1055/a-2204-5506
Pneumo-Fokus

Kommentar

Contributor(s):
Niels Reinmuth

Durch die Zulassung von Checkpointinhibitoren in den frühen Stadien hat sich das Therapiemanagement bei resektablen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) grundlegend gewandelt. Zulassungen von Atezolizumab (bei Patienten mit PD-L1-Expression ≥50%) und Pembrolizumab (unabhängig von der PD-L1-Expression) als adjuvante Therapie nach Chemotherapie sowie Nivolumab plus Chemotherapie als neoadjuvante Therapie (bei Patienten mit PD-L1-Expression ≥1%) haben die Krankheitsprogression deutlich verbessert und, soweit bekannt, auch das Gesamtüberleben. Aktuelle Studien zum perioperativen Setting werden die Behandlungsoptionen nochmals verbreitern.

Dabei führt die neoadjuvante Therapie mit Checkpointinhibitoren zu einer höheren Rate von kompletten pathologischen Resektionen und kann das Operationsausmaß verbessern. Gerade im Stadium III könnte so ein Paradigmenwandel erfolgen. Die Studie von Provencio und Kollegen deutet das Potenzial einer perioperativen Therapie bei NSCLC der Stadien IIIA oder IIIB an [1]. Hierbei waren auch knapp 40% Patienten mit mediastinalen Lymphknotenmetastasen in mehreren Stationen eingeschlossen, bei denen häufig präoperativ unklar ist, ob eine komplette Resektion erreicht werden kann oder nicht alternativ eine kombinierte Radiochemotherapie gefolgt von Durvalumab durchgeführt werden sollte. In dieser Studie mussten prätherapeutisch alle Patienten im Tumorboard als resektabel eingeschätzt werden. Deutlich mehr Patienten konnten schließlich operiert werden, wenn sie mit Chemoimmuntherapie behandelt wurden (93%), eine Rate, die etwas höher ist, als in Phase-III-Studien mit größeren Kollektiven berichtet wurde [2]. Aktuell sind viele Fragen noch ungeklärt, die auch in dieser Phase-II-Studie aufgrund der kleinen Patientenzahl nicht beantwortet werden können: Welche Patienten profitieren besonders von einem solchen perioperativen Ansatz im Vergleich zum alleinig neoadjuvanten oder adjuvanten Ansatz? Sollte dieser Ansatz nur bei Patienten mit PD-L1-Expression ≥1% gewählt werden, die in dieser und auch in der Checkmate-816-Studie den größten Nutzen hatten? Wie sieht das bei grenzwertig resektablen Patienten aus, die präoperativ nicht eindeutig als resektabel eingeschätzt werden können (für die aktuell die kombinierte Radiochemotherapie der Standard ist!)? Auf welche Subgruppen von grenzwertig resektablen Patienten sollte dieser Ansatz angewendet werden? Könnte auch die Hinzunahme von Strahlentherapie in diesem multitherapeutischen Ansatz nützlich sein? Und wie gut kann nach einer nicht-kompletten Resektion weiter therapiert werden?

Diese Studie führt zunächst zu keiner neuen Behandlungsempfehlung. Sie umfasst auch nur einen Teil der sog. grenzwertig resektablen Patienten. Sie zeigt allerdings ein Potenzial auf, das in weiteren Studien adressiert werden muss und auch heute schon diskutiert werden kann, dann allerdings im breit aufgestellten Tumorboard an einem erfahrenen Zentrum. Wichtig ist, dass zudem diese Patienten qualitativ und umfassend gestaged und schon bei Erstdiagnose molekular getestet werden müssen, damit herausgearbeitet werden kann, ob ein solcher neoadjuvanter Ansatz überhaupt zum Erfolg führen kann. Zudem ist die gründliche Abklärung der funktionellen Operabilität essenziell, sowie eine Re-Evaluation bei möglichen schweren Toxizitäten, Krankheitsprogress oder neuen Komorbiditäten. Die Therapie des operablen NSCLC wird daher weiter komplexer, deutlich individueller, multidisziplinärer und macht ein straffes Management notwendig, um den Abstand zwischen erster Vorstellung des Patienten und Therapiebeginn möglichst kurz zu halten.



Publication History

Article published online:
16 February 2024

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