PSYCH up2date 2024; 18(04): 321-338
DOI: 10.1055/a-2212-9592
Angststörungen, Zwangsstörungen und stressassoziierte Störungen

Das pathologische Horten: verstehen und behandeln

Jana Hansmeier

Fast jeder Mensch besitzt Dinge, bei denen ein Wegwerfen schwerfallen würde – sei es das Lieblingsbild, ein Erinnerungsstück aus der Kindheit oder ein über die Jahre wertgeschätzter Gebrauchsgegenstand. Bei Betroffenen des pathologischen Hortens nimmt die Ansammlung ein pathologisches Ausmaß an. In diesem Beitrag werden das Störungsbild, aufrechterhaltende Faktoren und ein Therapieansatz vorgestellt.

Kernaussagen
  • Betroffene des pathologischen Hortens zeigen anhaltende Schwierigkeiten, Gegenstände wegzuwerfen oder sich von ihnen zu trennen, unabhängig von deren tatsächlichem Wert. Viele Betroffene leiden auch unter einem starken Drang, Gegenstände zu erwerben.

  • Das pathologische Horten geht mit einer hohen Beeinträchtigung für Betroffene und Angehörige einher und zeigt hohe Chronifizierungs- und Komorbiditätsraten.

  • Das pathologische Horten ist im DSM-5 und ICD-11 ein eigenständiges Störungsbild, das den Zwangsspektrumsstörungen zugeordnet wird.

  • Bei der Diagnose ist zu beachten, dass neben dem pathologischen Horten auch andere Störungsbilder (z.B. Demenz) zu einer Vermüllung des Wohnraums führen können.

  • Das pathologische Horten ist mit einer Prävalenzrate von fast 5% in Deutschland ähnlich weitverbreitet wie im englischsprachigen Sprachraum.

  • In dem kognitiv-behavioralen Modell als das am meisten untersuchte Erklärungsmodell des pathologischen Hortens werden die 4 Faktoren Informationsverarbeitungsdefizite, dysfunktionale Annahmen, Vermeidungsverhalten und emotionale Bindung an Besitztümer als relevant angenommen. Für die Relevanz dieser Faktoren finden sich bereits erste unterstützende Befunde.

  • Die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung sieht zunächst die Ableitung des individuellen Störungsmodells und die Vermittlung des Behandlungsrationals vor. Darauf aufbauend werden in der Interventionsphase dysfunktionale Annahmen hinterfragt und Expositionen bezogen auf den Erwerb sowie das Wegwerfen von Gegenständen (auch bei Hausbesuchen) durchgeführt. Ergänzend kann ein Organisations- und Planungstraining durchgeführt werden.

  • Die Verbesserungsraten über die psychotherapeutische Behandlung waren mit 24–43% klinisch signifikant verbesserter Patient*innen deutlich geringer als die der Zwangsstörung. Es ist daher wünschenswert, über ein besseres Verständnis der auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren Ansatzpunkte für effektivere und auf dieses Störungsbild ausgerichtete Therapien identifizieren zu können.



Publication History

Article published online:
10 July 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany