Aktuelle Urol 2024; 55(01): 10-12
DOI: 10.1055/a-2216-8606
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Prostatakarzinom: PSMA-PET besser als konventionelles Staging

Contributor(s):
Philipp Krausewitz
1   Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Germany (Ringgold ID: RIN39062)
› Author Affiliations

In den vergangenen Jahren haben mehrere retrospektive und prospektive Studien die diagnostische Genauigkeit und Überlegenheit der PSMA-PET/CT (PET) in verschiedenen Krankheitsstadien des Prostatakarzinoms herausgestellt. Mit höchstem Evidenzlevel untermauert, wird der Einsatz molekularer Bildgebungstechnik im biochemischen Rezidiv gemäß nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen [1] [2]. Im Rahmen des Primärstagings wird dies in der aktuellen S3-Leitlinie als eine Kann-Option betrachtet, insbesondere wenn Hochrisikomerkmale (cT3, Gleason ≥8 und/oder PSA-Elevation >20 ng/ml) vorhanden sind. Für die Gruppe mit intermediärem Risiko gibt es derzeit keine klaren S3-Leitlinien-Empfehlungen aufgrund unzureichender Daten [1].

Die Autoren der aktuellen Studie führten eine systematische Überprüfung und Metaanalyse zum Einsatz der PET im Primärstaging bei Patienten mit mittlerem und hohem Risiko durch. Eine Neuheit besteht darin, dass erstmals die Ergebnisse der PET-Bildgebung zwischen Patienten verglichen wurden, die sowohl PET oder PET/MRT als auch konventionelle Bildgebung (Skelettszintigrafie/CT-Abdomen) erhielten. Dadurch konnten mögliche Verzerrungen durch unterschiedliche Studienkollektive primär ausgeschlossen werden. Zusätzlich wurden potenzielle Störfaktoren wie zeitlich verzögerte Aufnahmen und der Referenzstandard berücksichtigt. Die Studie belegt qualitativ hochwertig die Überlegenheit der PET im Primärstaging hinsichtlich der korrekten Vorhersage und Erkennung des TNM-Stadiums. Insbesondere von Interesse ist die Tatsache, dass die häufig zitierten falsch positiven Ergebnisse der PET in Bezug auf ossäre Filiae im Vergleich zur Skelettszintigrafie geringer ausfielen. Die PET wies eine verminderte falsch positive Rate auf (0–11,8% gegenüber 16,0–34,8%). Dies legt nahe, dass die PET möglicherweise das Risiko einer Übertherapie sogar reduzieren kann, wenn sie anstelle einer Skelettszintigrafie durchgeführt wird. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass alle vergleichenden Studien zur Stadieneinteilung von Knochenmetastasen in dieser Metaanalyse den Tracer 68Ga-PSMA-11 verwendeten, während mit den 18F-PSMA-Tracern höhere falsch positive Raten zu erwarten sind.

Für die klinische Praxis lässt sich zusammenfassen, dass die PET auch im Primärstaging präziser das Tumorvolumen definiert als die konventionelle Bildgebung, was gegebenenfalls eine verbesserte Therapieplanung ermöglicht. Die PET geht darüber hinaus mit einem reduzierten Zeitaufwand und geringerer Strahlenbelastung einher wie Hofman et al. zeigen konnten [3]. Trotzdem bleibt unklar, ob PET-basierte Änderungen in der Therapieplanung sich prognostisch positiv auswirken. Es besteht das Risiko einer gesteigerten Morbidität und/oder Übertherapie, vor allem bei PET-bedingtem Upstaging. Fragen zur Bedeutung der optimierten Bildgebung vor der initialen Therapie hinsichtlich rezidivfreiem Überleben, metastasenfreiem Überleben oder sogar tumorzpezifischem Überleben bleiben nach wie vor unbeantwortet. Entsprechend rät die aktuelle EAU-Leitlinie davon ab, therapeutische Entscheidungen allein auf Basis der PET zu treffen [2]. Weitere Studien sind notwendig, um zu klären, bei welchen Patienten die PET zu einer Intensivierung oder Deeskalation der Therapie führen sollte.

Außerdem sind die Kostenübernahme und die Verfügbarkeit der PET im Primärstaging im deutschen Gesundheitswesen derzeit ungeklärt. Trotz der eindeutigen diagnostischen Überlegenheit wird die PET daher im Rahmen des Primärstagings von Prostatakarzinompatienten in Deutschland auch in naher Zukunft nicht flächendeckend anzuwenden sein. Inwieweit Patienten die optimierte Bildgebung einfordern werden (ähnlich wie bei der multiparametrischen Magnetresonanztomografie), und ob dies gesundheitspolitisch neue Wege eröffnen wird, bleibt abzuwarten.



Publication History

Article published online:
08 February 2024

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