Aktuelle Dermatologie 2024; 50(01/02): 13-14
DOI: 10.1055/a-2218-6409
Interview

Es ergeben sich immer neue Fragen

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl im Gespräch mit Prof. Dr. med. Ingrid Moll
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Prof. Dr. med. Ingrid Moll

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Nach dem Abschluss meines Studiums der Biologie und Chemie wollte ich zunächst die Verhaltensforschung bei Bienen weiterverfolgen und Mechanismen der Orientierung der Biene auch auf molekularer Ebene erforschen. Das erschien mir aber bald zu eng für mein Leben. Ich war breiter interessiert, wollte nicht so „beengt“ forschen. Hinzu kam, dass ich durch Assistenzen in der Praxis bei Onkel und Tante eine ganzheitliche Beschäftigung mit Menschen und deren verschiedenen Organen erlebt hatte. So beschloss ich, wegen der vielfältigen Optionen Medizin zu studieren und keine Promotion in der Biologie zu beginnen.Da ich mich während meiner Bienenforschung mit Lichtwirkung auf Lebewesen beschäftigt hatte, interessierten mich die Fächer Dermatologie und Neurologie von Beginn des Studiums an.In den Klinischen Semestern hatte ich das Glück, Vorlesungen und Visiten bei Prof. Helmut Röckl in der Würzburger Hautklinik zu erleben. Fasziniert hat mich dabei, dass er in wenigen Worten das Essentielle für die Diagnose vermittelte. Hinzu kam, dass wir Studenten an Diensten teilnehmen konnten. Da sah ich die Vielfalt des Faches Dermatologie und die vielen Möglichkeiten für Forschung.Im PJ entschied ich mich für das Wahlfach Neurologie. Dabei faszinierten mich auch die sehr unterschiedlichen Krankheitsbilder in diesem Fach und dabei die Vielfalt der Diagnostik. Enttäuscht haben mich aber die – damals – sehr limitierten und meist wenig wirksamen therapeutischen Optionen.Nach den PJ wechselte ich aus privaten Gründen nach Heidelberg. Ich informierte mich über die dortigen Forschungsaktivitäten in der Dermatologie und Neurologie und bewarb mich in der Neurologie in Heidelberg und in der Hautklinik in Mannheim. Ich hatte über Prof. E. G. Jung gelesen, dass er lichtbiologische Forschung macht und eine Arbeitsgruppe mit Biochemikern hatte. Er gab mir umgehend eine Assistentenstelle, die ich annahm, um die Zeit von 5 Monaten bis zur Stelle in der Neurologie zu überbrücken. Nach ca. 3 Monaten in der Hautklinik hatte mich Prof. Jung voll überzeugt, ich sagte die Neurologie ab.

Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Kein spezieller Fall, in den frühen 80er-Jahren war es die Effektivität des neuen Isotretinoins und später die ersten „neuen Therapien“ in der Onkologie, womit einigen Patienten – für die damalige Zeit ungewöhnlich – noch lebenswerte Zeit für die Erfüllung von Wünschen blieb. Ich erinnere eine Reise in die Südsee oder die Geburt einer Enkelin, die noch erlebt werden durften.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Zuerst in der Biologie von meinem akademische Lehrer Prof. Martin Lindauer, ein Schüler des Nobelpreisträgers Karl von Frisch. Extrem genaue Beobachtung war essentiell für die Bienendressur. Ich erkannte dabei, dass für eine Karriere starkes Engagement, ein Leben mit vielen Fragen und viel Arbeit nötig sind, das sich nicht im 8-Stunden-Tag verwirklichen lässt.Die klinische Dermatologie in ihren Facetten habe ich von Prof. Jung gelernt, der immer kurze, klare Ansagen machte und auch solche Antworten erwartete. Es war eine produktive, inspirierende und spannende Zeit in der Mannheimer Klinik gewesen.Von Prof. Werner W. Franke, DKFZ, habe ich grundlagen-wissenschaftliches Denken und Arbeiten gelernt. Er konnte uns mit wissenschaftlichen Fragen faszinieren, denen wir mit Begeisterung nachgingen. Er war immer für unsere Fragen und Probleme da. Ich denke noch gerne und voller Zufriedenheit an die Wochenenden und Nächte im DKFZ zurück.

Was war der beste Rat, den Sie während Ihrer Karriere erhalten haben?

Ich habe viele gute und hilfreiche Ratschläge von meinen Lehrern und Kollegen erhalten. Besonders wichtig ist für mich immer noch: Totaliter aliter. Man muss immer offenbleiben, alles kann anders kommen. Es ergeben sich immer neue Fragen.

Worauf sind Sie stolz?

Ich gehöre zu den ersten der damals sehr wenigen Frauen als Direktorin einer Universitätsklinik. Sehr oft war ich bei Veranstaltungen etc. die einzige Frau. Wissenschaftlich sind es meine Beiträge zu den Keratinen der Haut und der Haare, zu den Merkelzellen und Merkelzellkarzinomen.

Was sind zukunftsweisende Entwicklungen in der Dermatologie?

Unser Fach hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht im molekularen Wissen um die Pathogenese, in der molekularen Diagnostik und in den zielgerichteten Therapien bei chronischen entzündlichen Dermatosen und Malignomen. Das wird sich weiter entwickeln, z. B. in der Onkologie zur zielgerichteten individuellen Therapie.

Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?

Die Zukunft des Faches wird abhängen von innovativer, meist interdisziplinärer Forschung, v. a. in der Grundlagenforschung auf den Gebieten der Zellbiologie, Immunologie und Onkologie. Darauf müssen die Universitäten Wert legen und zugleich eine exzellente klinische Ausbildung bieten, damit in den Praxen gute Diagnostik und Therapie angeboten werden kann.

Was raten Sie jungen Kollegen?

Ich rate Kolleginnen und Kollegen, gehen Sie für Ihre Ausbildung möglichst lange an eine Klinik und interessieren Sie sich so viel wie möglich für die klinischen Bilder und für die Forschung. Dann werden Sie bald erkennen, was Ihnen liegt, in welche Richtung es gehen soll. Wollen Sie in die Praxis, machen Sie eine profunde klinische Ausbildung in der Breite unseres Faches. Möchten Sie eine akademische Karriere, dann gehen Sie für eine gewisse Zeit in ein Forschungslabor, was jetzt zunehmend mehr auch 50/50 % mit klinischer Arbeit möglich wird.



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Article published online:
23 February 2024

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