Sportphysio 2024; 12(02): 104-107
DOI: 10.1055/a-2242-4980
Notes
Veranstaltungsbericht

Veranstaltungsbericht

Sportphysiotag beim physiokongress

Am 27. Januar 2024 fand im Rahmen des physiokongresses und der Messe TheraPro wieder der Sportphysio-Tag statt ([ Abb. 1 ]). Wie auch in den letzten Jahren konnten die Besucher und Besucherinnen von einem abwechslungsreichen und praxisnahen Programm profitieren. Moderiert wurde der Tag von Hans-Josef Haas, einem unserer Herausgeber, sowie Joachim Schwarz, Executive Editor im Bereich Physiotherapie beim Thieme Verlag. Beide waren auch für die Planung der Vorträge verantwortlich, die besonders die Mehrperspektivität und Multidisziplinarität der medizinischen Professionen in den Vordergrund rückte.

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Abb. 1 Gut besucht war in diesem Jahr der Sportphysiotag beim physiokongress in Stuttgart. (Quelle: © K. Oborny; Thieme)

Spezifische Reha nach Kreuzband-OP. Den Auftakt machten Physiotherapeut Jonas Spiess und Krafttrainingsexperte Jan Seiler, die zum Thema Hamstring-Rehabilitation nach einer VKB-Operation referierten. Sie zeigten am Beispiel eines Skicross-Fahrers, wie wichtig eine Rehabilitation mit Fokus auf die hintere Oberschenkelmuskulatur ist und wie ein Trainingsaufbau bei interprofessioneller Zusammenarbeit aussehen kann. Zentrale Bedeutung haben hierbei die Entwicklung der exzentrischen Maximalkraft und die Kraftentwicklungsrate der ischiokruralen Muskulatur. Hierzu stellten sie eine mögliche Übungsprogression praktisch auf der Bühne vor ([ Abb. 2 ]).

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Abb. 2 Jonas Spiess (rechts) und Jan Seiler demonstrieren bei ihrem Vortrag Übungen aus dem vorgestellten Reha-Programm. (Quelle: © K. Oborny; Thieme)

Tree of Excellence. Nachdem die beiden eher die athletischen Aspekte des Sports betrachtet hatten, lenkte der Sportpsychologe Andreas Altfeld die Aufmerksamkeit auf die mentalen und psychologischen Fähigkeiten von Sportlerinnen und Sportlern. Anhand des „Tree of Excellence“ zeigte er auf, dass viele Faktoren, unter anderem Selbstreflexion, Energiemanagement und soziale Skills, für sportlichen Erfolg wichtig, jedoch nicht genetisch festgelegt und somit entwicklungsfähig sind. Ebenso unterstrich er in diesem Kontext die Wichtigkeit des Teamgedankens und die Bedeutung der interprofessionellen Zusammenarbeit in der Betreuung von Sportlern und Sportlerinnen.

Sport statt Couch nach Concussion. Die Therapie durch verschiedene medizinische Professionen spielt auch bei der Behandlung von Personen nach einer Gehirnerschütterung eine große Rolle. Bei Sportler*innen ist das eine häufige Verletzung, bei der viele nicht genau wissen, was zu tun ist. Die Ärztin Nina Feddermann-Demont ([ Abb. 3 ]) lieferte ein Update zum Thema Concussion und machte deutlich, dass strikte Ruhe oder Pause keine geeigneten Strategien nach einem Schädel-Hirn-Trauma sind und sogar zu einer verzögerten Erholung beitragen können. Demgegenüber können leichte körperliche Aktivitäten (spazieren gehen, Fahrradergometer) nach 24–48 h empfohlen werden. Damit wurde auch hier der altbekannte Leitsatz bestätigt: “Exercise is Medicine.”

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Abb. 3 Nina Feddermann-Demont empfiehlt nach einer Gehirnerschütterung moderate Bewegung statt absolute Ruhe. (Quelle: © K. Oborny; Thieme)

Ist Minimieren das neue Maximieren? Im letzten Vortrag am Vormittag standen ebenfalls Übungen und Training im Mittelpunkt. Adrian Rothenbühler, der als Trainer von Swiss Athletics am Nationalen Leistungszentrum Bern/Magglingen tätig ist, referierte über diverse Ansätze zur Trainingssteuerung. Dabei erläuterte er, wie man im Bereich des Sports mit unterschiedlichen Trainingsumfängen und Wiederholungszahlen umgehen kann, sei es mit intensiven oder mit minimalen Belastungen. Dabei bestimmt das Verhältnis Intensität zu Trainingsumfang maßgeblich, welche Wirkung das Training erzielt. Er betonte außerdem, dass qualitative Aspekte mit dem Fokus auf Intensität und Präzision innerhalb der Trainingssteuerung den Unterschied ausmachen können.

Höher, schneller, positiv? Nach der Mittagspause, die reichlich Zeit zum Besuch der Therapiemesse bot, referierte Claudia Osterkamp-Baerens ([ Abb. 4 ]) zum Therma „Nahrungsergänzung im Sport“. Ein Thema, das schon deshalb interessant ist, weil entsprechende Mittel von ca. der Hälfte aller Breiten- und 70 % der Spitzensportler*innen eingenommen werden. In manchen Sportarten ist es sogar unerlässlich, Nährstoffe auch während des Trainings oder Wettkampfs zu sich zu nehmen, um Mangelerscheinungen und Leistungseinbrüche zu vermeiden. Auch nach dem Sport kann es sinnvoll sein, sogenannte Recovery-Produkte zu verwenden. Osterkamp-Baerens empfahl, ausschließlich risikoarme Produkte, wie man sie in Datenbanken wie der „Kölner Liste“ oder „Informed Sport“ findet, einzunehmen. Wichtig ist auch zu unterscheiden, ob die Mittel die Nährstoffzufuhr sichern, bei medizinischen Problemen helfen oder die Leistung fördern sollen. Praktische Hinweise rundeten den interessanten Vortrag ab.

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Abb. 4 Claudia Osterkamp-Baerens klärt auf über Chancen und Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln. (Quelle: © K. Oborny; Thieme)

Der weibliche Beckenboden im Sport. Ein Problem, über das kaum eine(r) spricht, ist der weibliche Beckenboden im Sport. Monika Leitner aber hat es getan, und so erfuhren die Zuhörer, dass viele Frauen im Sport unter einer Belastungsinkontinenz leiden. Grund dafür ist, dass bei vielen Sportarten der Beckenboden außergewöhnlich stark belastet wird, er dafür aber nicht vorbereitet ist. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass betroffene Frauen aufgrund der Kleidervorschriften oft nicht geeignete Inkontinenzhilfen verwenden können und dass sehr häufig nicht an das Training der Beckenbodenmuskulatur gedacht wird. Darüber hinaus erfolgt die willkürliche Aktivierung des Beckenbodens bei Sprüngen und ähnlichen Belastungen nicht schnell genug. Weil es aber für das Training der eigentlich erforderlichen unwillkürlichen reflektorischen Anspannung des Beckenbodens bisher keine abschließenden Empfehlungen gibt (Untersuchungen dazu laufen), rät die Expertin Sportlerinnen, insbesondere auch Frauen nach der Geburt, ihren Beckenboden mit geeigneten Übungen zu kräftigen und mit einer bewussten Anspannung vor Sprüngen etc. auf die Belastungen vorzubereiten.

Diagnose, Ursache und Behandlung der Werferschulter. Bettina Haupt-Bertschy ([ Abb. 5 ]), Physiotherapeutin aus der Schweiz, beendete als letzte Rednerin den gelungenen Kongresstag. In ihrem Vortrag über die Werferschulter zeigte die erfahrene Schulterexpertin, dass es bei Wurfbewegungen auf ein Zusammenspiel der gesamten kinetischen Kette ankommt – von den Füßen bis zur Wurfhand. Daher werden bei der Untersuchung nicht nur Kraft und Beweglichkeit der Schulter gemessen; das Screening umfasst u. a. auch unilaterale Squats, den Y-Balance-Test sowie die Beurteilung von Hüftmobilität und Rotation der Brustwirbelsäule. Bei der Therapie spielen schließlich die Stabilität der Skapula eine entscheidende Rolle sowie die Fähigkeit, den Oberarmkopf optimal in der Gelenkpfanne zu zentrieren. Die vielen praktischen Hinweise in ihrem Vortrag wurden inzwischen sicher schon von zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern in der Praxis erprobt.

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Abb. 5 Bettina Haupt-Bertschy bei ihrem Vortrag über die Behandlung der Werferschulter. (Quelle: © K. Oborny; Thieme)

Wer Lust hat beim nächsten Mal dabei zu sein, sollte sich schon jetzt das verlängerte Wochenende vom 31.01.–02.02.2025 im Kalender vormerken!

Benjamin Neul, Johannes Ermel



Publication History

Article published online:
24 April 2024

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