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DOI: 10.1055/a-2244-3663
Kommentar zu Acetylsalicylsäure wirkt zur Thromboseprophylaxe vergleichbar wie niedermolekulares Heparin
Thromboembolien sind eine gefürchtete Komplikation in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Nach operativen Eingriffen müssen Extremitäten oft ruhiggestellt werden, was das Risiko einer Thromboembolie in die Höhe schießen lässt. Wir führen deshalb standardmäßig neben einer mechanischen Prophylaxe, z.B. durch Lymphdrainage oder pneumatische Impulskompression, eine leitliniengerechte medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) durch. Letztere muss subkutan appliziert werden, was für viele Patienten, zumindest am Anfang, eine große Hürde darstellt. Zusätzlich ist eine ausführliche Risikoaufklärung unumgänglich. Dennoch erleben wir gelegentlich Patienten, die in den Nachkontrollen berichten, die „Thrombosespritzen“ aus unterschiedlichsten Gründen nicht appliziert zu haben. Eine alternative und einfachere Form der Darreichung ist daher grundsätzlich wünschenswert, muss jedoch in den Punkten Effektivität (Prävention von Thromboembolien) und Sicherheit (Vermeiden von Blutungskomplikationen) mindestens genauso gut abschneiden wie das etablierte NMH. Mehrere Studien haben deshalb bereits NMH mit „neuen oralen Antikoagulanzien“ (NOAKs) oder Aspirin verglichen [1]. Einige Kliniken geben ihren Patienten bereits NOAKs nach endoprothetischen Eingriffen, manche direkt postoperativ, manche nach Abschluss der Wundheilung.
In der vorliegenden multizentrischen Studie haben die Autoren ca. 12000 Patienten nach Behandlung einer Fraktur für 90 Tage nachuntersucht. Die Patienten erhielten entweder NMH oder Aspirin zur Thromboseprophylaxe. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Aspirin in der Prävention von Todesfällen NMH nicht unterlegen war. Tiefe Beinvenenthrombosen traten jedoch häufiger in der Aspirin-Gruppe auf (2,51% vs. 1,71%). Blutungskomplikationen waren in beiden Gruppen gleich häufig.
Die vorliegenden Daten sind nicht ausreichend, um ein Umdenken in unserer klinischen Praxis und somit eine standardmäßige Umstellung auf Aspirin zu bewirken. Zusätzlich gibt es bereits Daten, die ein erhöhtes Blutungsrisiko nach der Gabe von Aspirin festgestellt haben [2]. Weiterhin werden in der vorliegenden Studie andere Dosierungen als bei uns üblich verwendet: In den USA/Kanada wird Aspirin mit einer Dosis von 81mg vertrieben, in Deutschland jedoch mit 100mg. In der vorliegenden Studie wurde NMH 2-mal täglich mit einer Dosis von 30mg subkutan appliziert, während bei uns standardmäßig NMH 1-mal täglich in entsprechend höherer Dosierung verabreicht wird. Weiterhin war die Therapiedauer sehr unterschiedlich und erfolgte nach Maßgabe der jeweiligen Klinik. Ein einheitliches Protokoll hätte zu einem deutlich größeren administrativen Aufwand mit sicher weniger Patienten geführt, dennoch sind die vorliegenden Daten heterogen. Des Weiteren werden Frakturen mit unterschiedlicher Komplexität eingeschlossen: Eine einfache Radiusfraktur wird mit einer Acetabulumfraktur gleichgestellt. Ein Verbesserungsansatz hierfür wären spezifischere Studien mit eindeutig definiertem Studiendesign und einer vordefinierten Studienpopulation Zusätzlich sollte das Indikationsspektrum vergleichbar sein, z.B. Aspirin vs. DOAKs vs. NMH nach primärer Hüftendoprothetik. Solche Studien könnten, auch mit kleinerer Fallzahl, eine evidenzbasierte Änderung des Therapieregimes bewirken.
Des Weiteren müssen solche Daten auch an einer Universitätsklinik anwendbar sein, wo wir grundsätzlich Patienten mit erhöhter Komplexität und erhöhtem Risikoprofil behandeln. Eine gute Anpassungsmöglichkeit an Gewicht oder vorbestehende Thromboembolien sowie die Steuerungsmöglichkeit im Falle von Blutungskomplikationen sind für uns essenziell. All dies bietet NMH und fehlt bei Aspirin.
Dennoch werden wir auf Basis dieser Studie evaluieren, ausgewählten Patienten, die NMH kategorisch ablehnen, bei „kleineren“, peripheren Frakturen, v.a. der oberen Extremität, die Möglichkeit einer Off-label-Einnahme von Aspirin statt NMH anzubieten.
Publication History
Article published online:
10 April 2024
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Matharu GS, Kunutsor SK, Judge A. et al. Clinical Effectiveness and Safety of Aspirin for Venous Thromboembolism Prophylaxis After Total Hip and Knee Replacement. JAMA Intern Med 2020; 180: 376-384 DOI: 10.1001/jamainternmed.2019.6108. (PMID: 32011647)
- 2 Anderson DR, Dunbar M, Murnaghan J. et al. Aspirin or Rivaroxaban for VTE Prophylaxis After Hip or Knee Arthroplasty. J Vasc Surg: Venous Lymphat Disord 2018; 6: 673 DOI: 10.1016/j.jvsv.2018.07.002. (PMID: 29466159)