intensiv 2024; 32(03): 113
DOI: 10.1055/a-2265-1779
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

was ist gerecht? Wie verteilt man knappe Ressourcen so, dass es nach gerechten Maßstäben zugeht? Und was soll man tun, wenn das Vorenthalten sinnvoller Maßnahmen nicht zu vermeiden ist, gleichzeitig aber auch eine Überversorgung stattfindet? Diese und weitere Fragen sind Gegenstand des Schwerpunkts in diesem Heft.

In einem längeren und grundlegenden Beitrag wird die Frage nach einer gerechten Verteilung knapper Güter sowohl philosophisch-ethisch als auch fachlich diskutiert. Dabei werden auch einige Mythen und liebgewonnene Überzeugungen infrage gestellt. Kritisch beleuchtet wird die Übertherapie innerhalb der (Intensiv-)Medizin ebenso wie Ansätze einer Rationierung, die mit scheinbar objektiven Kriterien Kürzungen und Vorenthaltungen von Leistungen legitimiert. Deutlich wird auch, dass Fragen von Gerechtigkeit immer auch Fragen von Macht sind, und da ist die Pflege nicht gut aufgestellt. Während es in der Medizin eher um Organe oder Bettenplätze geht, sind die Pflegenden selbst die knappe Ressource, und an dieser wurde und wird gnadenlos gespart. Das führt vielfach dazu, dass die eigentlichen pflegerischen Leistungen wie Beziehungsarbeit, Zuwendung geben und Kommunikation vernachlässigt werden.

Dass es trotzdem auch so etwas wie ein Zuviel an Pflege gibt, wird im zweiten Beitrag thematisiert. Die sogenannte „Überpflege“ ist ein bisher wenig erforschtes Phänomen. Sie zeigt sich zum Beispiel in unhinterfragten Routinen und Ritualen, schematischen und paternalistischen Handlungen und einer mangelnden Orientierung an den Bedürfnissen der zu Pflegenden. Sinnvoll ist deshalb eine gewissenhafte Überprüfung der gängigen Alltagspraxis.

Wir wünschen Ihnen eine anregende und kritische Lektüre!

Heiner Friesacher



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Article published online:
06 May 2024

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