Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2311-2616
Flugtauglichkeit nach Kreuzschmerzen, konservative Therapie vs. Operation
Fitness to fly after low back pain, conservative therapy vs. surgeryAnamnese
Es wird über einen Luftfahrzeugführer (LFF) der Luftwaffe (Fläche, WFV II und Medical class 1) berichtet, der über viele Jahre über bandscheibenbedingte Kreuzschmerzen klagte, zunächst konservativ behandelt wurde und sich Ende 2023 wegen einer plötzlichen Verschlimmerung der Beschwerden (und Klinik) einer operativen Behandlung (Nukleotomie und Sequesterektomie L5/S1) unterziehen musste. Drei Monate später erfolgte die fachorthopädische und flugmedizinische Nachuntersuchung und Begutachtung auf Wehrfliegerverwendungsfähigkeit II (WFV II) im FlMedInstLw in Köln-Lind und eine Verlängerungsuntersuchung class 1 im AeMC Luftwaffe.
2001 klagte der LFF (A319/A320) erstmals über ein akutes Lumbalsyndrom („Hexenschuss“) ohne Schmerzausstrahlung und ohne senso-motorische Beschwerden oder Defizite im Bereich der unteren Extremitäten. In der MRT-Untersuchung der LWS wurde eine Bandscheibenprolaps L5/S1 rechts mit Irritation der Nervenwurzel S1 rechts beschrieben. Konservative Maßnahmen führten zur raschen Besserung der Beschwerden. Bis 2018 war der LFF weitgehend beschwerdefrei und auch gut belastbar, immer mal wieder leichte Kreuzschmerzen (LBP), keine Probleme beim Fliegen, spezielle Therapiemaßnahmen waren nicht erforderlich. 2017 wurde eine Präventivkur durchgeführt. Im Oktober 2018, ohne einen konkreten Anlass, traten vermehrt Kreuzschmerzen auf, diesmal und erstmals mit Schmerzausstrahlung in das rechte Gesäß bis in die Kniekehle, keine senso-motorische Beschwerden. Zunächst erfolgte keine Bildgebung und konservative Therapiemaßnahmen. Da keine wesentliche Besserung der Beschwerden eintrat, wurden im März 2019 eine MRT-Untersuchung der LWS sowie ein MRT der SIG durchgeführt. Als Haupt- und klinisch bedeutsamer Befund wurde ein: „… 9 mm großer rechts medio lateraler Prolaps in L5/S1 mit Kompression der rechten S1-Wurzel…“ beschrieben (ein Vergleich mit den Voraufnahmen war nicht möglich). Eine Sakroiliitis wurde ausgeschlossen. Wieder führten konservative Maßnahmen zur Besserung der Beschwerden, es wurde „weitgehende“ Beschwerdefreiheit erreicht. Eine orthopädische oder neurochirurgische Untersuchung erfolgte nicht. Bei der Nachuntersuchung auf WFV II und für ein class 1 Medical im April 2019 in Köln-Lind/AeMC Luftwaffe war der LFF beschwerdefrei, die orthopädische und neurologische Untersuchung der gesamten Wirbelsäule einschließlich Becken war regelrecht. Die MRT-Befundberichte wurden vorgelegt (keine Bilder). Die WFV II und die class-1-Tauglichkeit wurden erteilt. Bei den Nachuntersuchungen in den Jahren 2020 und 2021, 2022 und auch im Mai 2023 wurden keine Kreuzschmerzen angegeben, die LWS war reizfrei und funktionell ungestört. Es wurde eine MRT-Untersuchung der rechten Hüfte durchgeführt, eine „geringe“ Koxarthrose ohne klinische und flugmedizinische Relevanz wurde beschrieben. Die WFV II und das class 1 Medical wurden erteilt. Ende Dezember 2023, ohne einen konkreten Anlass, klagte der LFF über plötzliche hochakute Kreuzschmerzen mit Bewegungsblockade der LWS, Schmerzausstrahlung in das rechte hintere Bein bis Wade, Taubheitsgefühl am rechten Fußaußenrand und an der rechten Kleinzehe, keine Paresen, Stuhlgang und Miktion waren ungestört (= akutes sensibles Radikulärsyndrom S1 rechts). Es folgte die sofortige stationäre Aufnahme in der Neurochirurgie eines BwK und eine erneute MRT-Bildgebung der LWS. Ein Tag später wurde die Nukleotomie und Sequesterektomie L5/S1 rechts in mikrochirurgischer Technik durchgeführt. Der Heilungsverlauf war regelrecht, rasche Rückbildung der Beinschmerzen und auch rasche Remission der S1-Hypästhesie rechts. Anschließend erfolgte eine ambulante Rehamaßnahme mit dem Ziel der Rekonditionierung der Rumpfmuskulatur und ein zunehmender dosierter Belastungsaufbau. Im März 2024 beantragte der zuständige Fliegerarzt der Bw eine Nachuntersuchung auf WFV II und Verlängerungsuntersuchung des class 1 Medical. Die Untersuchung und Begutachtung wurden im März 2024 im ZentrLuRMedLw/AeMC Luftwaffe in Köln durchgeführt.
Publication History
Article published online:
29 May 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 von der Lippe E, Krause L, Porst M. et al Prävalenz von Rücken- und Nackenschmerzen in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2021; 06 (Suppl. 03) 2-14
- 2 Mayer HM, Heider FC. Der lumbale Bandscheibenvorfall. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2016; 11: 427-447
- 3 Greitemann B, Schmidt R.. S2k-Leitlinie zur konservativen, operativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik. Version vom 28.06.2021
- 4 Bergmann A, Bolm Audorff U, Ditchen D. et al Lumbaler Bandscheibenvorfall mit Radikulärsyndrom und fortgeschrittene Osteochondrose: Prävalenzschätzung im Rahmen der DWS-Richtwertestudie in der Allgemeinbevölkerung. Zentralbl Arbeitsmedizin 2014; 64: 233-238
- 5 Jensen MC, Brant Zawadzki MN, Obuchowski N. et al Magnetic resonance imaging of the lumbar spine in people without back pain. N Engl J Med 1994; 331: 69-73
- 6 van Tulder MW, Assendelft WJ, Koes BW. et al Spinal radiographic findings and nonspecific low back pain. A systematic review of observational studies. Spine (Phila Pa 1976) 1997; 22: 427-434
- 7 Borenstein DG, O‘Mara Jr JW, Boden SD. et al The value of magnetic resonance imaging of the lumbar spine to predict low-back pain in asymptomatic subjects: a seven-year follow-up study. J Bone Joint Surg Am 2001; 83: 1306-1311
- 8 Pfirrmann CW, Hodler J, Boos N. [Diagnostic assessment in lumbar back pain. II. Imaging and image-guided infiltrations. Praxis (Bern 1994) 1999; 88: 315-321
- 9 Glocker FX. Lumbale Radikulopathie: Klinik steht vor Bildgebung. Dtsch Arztebl 2018; 115: 22