Rofo 2024; 196(09): 892-893
DOI: 10.1055/a-2312-9435
Brennpunkt

Kommentar zu „MAMMA – Brustkrebsscreeningprotokolle im Vergleich“

Stefanie Weigel
1   Clinic for Radiology and Reference Center for Mammography Münster, University of Münster and University Hospital Münster, Münster, Germany
› Author Affiliations

Basierend auf Modellrechnungen amerikanischer Prospektivdaten präsentieren Monticciolo et al. [1] einen Vergleich von vier Screeningstrategien im Hinblick auf Nutzen und Risiken. Die Resultate nach unterschiedlicher Gewichtung der Aspekte führen zu Schlussfolgerungen, die von den aktuellen europäischen und nationalen Überlegungen abweichen [2] [3] [4] [5].

Die Autoren zogen Schätzungen zur Senkung der Brustkrebssterblichkeit durch Screeningteilnahme versus Nicht-Teilnahme heran. Auf der Risikoseite werden falsch-positive Screeningergebnisse und benigne Biopsien betrachtet. Ihre Modellierung gewichtet dabei stärker den erwarteten Nutzen (verhinderte Todesfälle durch Brustkrebs, gewonnene Lebensjahre) als die potenziellen Risiken und errechnet folglich den größten Nutzen für Frauen mit frühem Screeningbeginn (ab 40 Jahre), spätem Screeningende (bis 79 Jahre) und kurzem Screeningintervall (jährliche Mammografie).

Diese Nutzenbewertung wird in anderen Zielbevölkerungen mit anderen Screening-Programmen anders ausfallen können: So wird Frauen mit einem erhöhten familiären Brustkrebsrisiko in einigen Ländern bereits in jungen Lebensjahren ein Risiko-adaptiertes Screening angeboten, sodass ein Vergleich Screeningteilnahme versus Nicht-Teilnahme nur bedingt anwendbar ist.

Insbesondere die niedrigere Mammakarzinominzidenz zwischen 40–50 Jahren im Vergleich zu >50 Jahre [6] prädisponiert bei dichterem Parenchym zu einer geringeren diagnostischen Genauigkeit. Es werden Abwägungen zur Spezifität pro Untersuchung und nicht kumulativ über mehrere Screeningrunden in der Schlussfolgerung hervorgehoben, was zu einer Begünstigung des jährlichen Screeningintervalls führt [1]. Die Anzahl falsch-positiver Befunde und benigner Biopsien liegt für den von den Autoren favorisierten Screeningansatz (40–79 Jahre, jährliches Intervall) am höchsten. Sie halten diese Risiken für „manageable“, also beherrschbar.

Sowohl eine Erhöhung der Frequenz wie auch ein Screeningbeginn unter 50 Jahren erhöhen durch gesteigerte Strahlenexposition das „lifetime attributable risk“ und verschlechtern die Nutzen-Risiko-Betrachtung im Vergleich zum zweijährlichen Screening 50–69 Jahre [5]. Das erhöhte Strahlenrisiko wird seitens der Autoren nicht thematisiert. Risiko-adaptierte Früherkennungsansätze bezüglich Altersgrenzen, Frequenz und Untersuchungstechniken erscheinen hier als rationale Alternative.

Das Risiko einer Überdiagnostik wird autorenseits ebenfalls nicht beleuchtet [1]. Die Inzidenz von Mammakarzinomen und der brustkrebsspezifischen Sterblichkeit nimmt mit dem Alter zu [6] und die mammografische Früherkennung führt auch jenseits der 69 Jahre zu einer Reduktion der brustkrebsspezifischen Sterblichkeit [2] [3] [4]. National wurde bei Festlegung der oberen Screeningaltersgrenze (75 Jahre ab Juli 2024) eine gestiegene mediane Lebenserwartung abgewogen. Wenngleich eine Quantifizierung von Überdiagnostik mit Unsicherheiten einhergeht, sollen diagnostische und therapeutische Risiken begrenzt werden.

Es bleibt daher abzuwarten, ob die Schlussfolgerung der relativ US-spezifisch geprägten Nutzen-Risiko-Abwägung bezüglich des Screeningalters und der Screeningfrequenz eines Mammografie-Screenings international auf Akzeptanz trifft.



Publication History

Article published online:
15 August 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany