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DOI: 10.1055/a-2322-7455
Kommentar zu Studienreferat: Klingt leicht – ist schwer: VAP-Diagnose beim Intensivpatienten
Das 2024iger Update der S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie“ [1] schreibt: „Therapierelevant ist bereits die Verdachtsdiagnose einer HAP, diese soll gestellt werden bei neuem, persistierendem oder progredientem Infiltrat in der Thorax-Röntgenaufnahme in Kombination mit 2 von 3 weiteren Kriterien:
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Leukozyten >10000 oder < 4000/μl,
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Fieber > 38,3°C,
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purulentes Sekret.
Differenzialdiagnostisch sollten u.a. Atelektasen (Sekretverlegung), Herzinsuffizienz/Überwässerung, Lungenarterienembolien, alveoläre Hämorrhagie, interstitielle Lungenerkrankungen wie eine organisierende Pneumonie (OP) und das ARDS abgegrenzt werden.“
Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Definition der im Krankenhaus erworbenen Pneumonie (HAP) und nicht speziell der beatmungsassoziierten Pneumonie (VAP), die in der Studie von Soper et al. betrachtet wurde. Die Definition lässt allerdings gerade beim beatmeten Intensivpatienten das Ausmaß der diagnostischen Unschärfe einzelner Parameter bei Patienten mit komplexen Krankheitsbildern (Stichworte Fieber oder Leukozyten) bzw. diagnostischer Befunde (z.B. Interpretation der Liegend-Röntgenthoraxaufnahme in Behelfstechnik) erahnen.
Auch wenn der artefizielle Charakter einer Bewertung von Fallvignetten ohne die Beurteilung am Patientenbett eine grundsätzliche methodische Limitation der Studie darstellt, konnte sie doch die Problematik der diagnostischen Unschärfe gut herausarbeiten, insbesondere im Vergleich zu den aus Studiendaten abgeleiteten Likelihood Ratios.
Die Likelihood Ratio, kurz LR, eines Testergebnisses gibt an, um welchen Faktor das Ergebnis unter Erkrankten häufiger vorkommt als unter Gesunden. Die LR gilt daher als Maßzahl für die Aussagekraft eines diagnostischen Tests, die nicht von der Prävalenz abhängig ist, sie lässt sich mathematisch als Verhältnis zwischen der Nachtestwahrscheinlichkeit und der Vortestwahrscheinlichkeit definieren, d. h.: Vortestwahrscheinlichkeit x Likelihood Ratio = Nachtestwahrscheinlichkeit.
Die Integration des Konzepts der (evidenzbasierten) Likelihood Ratios einzelner Symptome und Testergebnisse in den diagnostischen Alltag ist nicht einfach, da diese sich teilweise stark von den subjektiv empfunden Wahrscheinlichkeiten unterscheiden können, wie es auch in der vorliegenden Studie für die VAP der Fall war.
Die Lektüre derartiger Studien und auch Übungen mit Fallvignetten können jedoch das Problembewußtsein schärfen und damit in der klinischen Praxis dazu beitragen, das Augenmerk stärker auf eine Gesamtschau des klinischen Bildes unter Berücksichtigung der Differenzialdiagnosen (wie in der S3-Leitlnie aufgeführt) als auf einzelne Parameter zu richten. Die Bedeutung neuerer diagnostischer Verfahren aus dem Bereich der Proteomics, molekularbiologischer mikrobiologischer Verfahren bis hin zum Whole Genome Sequencing oder immunologischer Funktionstests [2] kann in diesem Zusammenhang noch nicht abgeschätzt werden. Bei ihnen dürften jedoch ähnliche Überschätzungsphänomene vorkommen wie bei den bekannten Parametern. In der Gesamtschau könnten sie aber die Einordnung eines klinischen Bildes in der Zukunft erleichtern, wobei natürlich auch der Kostenaufwand derartiger Verfahren im Verhältnis zum Nutzen zu berücksichtigen ist. Bei dieser Bewertung könnten Studien nach der Methodik von Soper et al. helfen, sobald Daten zur Berechnung evidenzbasierter LRs vorliegen.
Publication History
Article published online:
13 August 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Update der S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie“ Langversion 3.0- Januar 2024, AWMF-Registernummer: 020–013.
- 2 Jeffrey M, Denny KJ, Lipman J. et al. Differentiating infection, colonisation, and sterile inflammation in critical illness: the emerging role of host-response profiling. Intensive Care Med 2023; 49: 760-771 DOI: 10.1007/s00134-023-07108-6.