CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2024; 149(15): 904-911
DOI: 10.1055/a-2328-5953
Positionspapier

Interprofessionelle Handlungsfelder der Pflegefachpersonen in der Klinischen Akut- und Notfallmedizin

Empfehlungen der DIVI und der DGFund dem Präsidium der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Beschluss vom 7. Mai 2024) und dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (Beschluss vom 28. April 2024)
Christian Waydhas
1   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Essen
,
Torben Brod
2   Zentrale Notaufnahme, Medizinische Hochschule Hannover
,
Matthias Deininger
3   Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Universitätsklinikum der RWTH Aachen
,
Rolf Dubb
4   Fachbereichsleitung Weiterbildung, Kreiskliniken Reutlingen GmbH
,
Florian Hoffmann
5   Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität, Campus Innenstadt, München
,
Thomas van den Hooven
6   Pflegedirektion, Universitätsklinikum Münster
,
Uwe Janssens
7   Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin, St.-Antonius-Hospital gGmbH Eschweiler, Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen,
,
Arnold Kaltwasser
8   Fachbereichsleitung Weiterbildung für Intensivpflege und Anästhesie, Kreiskliniken Reutlingen GmbH
,
Andreas Markewitz
9   Bendorf
,
Sabrina Pelz
10   Advanced Practice Nurse, Fachgesundheits- und Krankenpflegerin für Intensivpflege und Anästhesie, Intensivstation, Universitätsklinikum Tübingen
,
Felix Walcher
11   Universitätsklinik für Unfallchirurgie, Universitätsmedizin Magdeburg
,
Dominik Zergiebel
12   Aus-, Fort- und Weiterbildung Pflege & OP, Bildungsinstitut für Pflege und Gesundheit (BiPG), Universitätsklinikum Münster
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Einführung in die Thematik

Die aktuellen Entwicklungen, insbesondere auch im Krankenhaussektor, reflektieren einen ausgeprägten Mangel an Pflegefachpersonen sowie zunehmend auch an ärztlichem Personal. In diesem Umfeld ist die Diskussion über eine Ausweitung von Kompetenzen der Pflegefachberufe sowie die Schaffung neuer, auch akademischer Qualifizierungsmöglichkeiten, wie beispielsweise der Advanced Practice Nurse (APN) hochaktuell. Im Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz – PflBG) von 2017, mit letzter Aktualisierung 2021, sind Modellvorhaben zum Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten vorgesehen. Diese sind momentan laut Regelung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) auf bestimmte Tätigkeiten bei den Diagnosen Diabetes Typ I und II, chronische Wunden, Demenz und Verdacht auf Hypertonus (außer Schwangerschaft) begrenzt. Die Ausweitung auf die weiteren Modelle steht noch aus.

Aktuell ist im Bundesministerium für Gesundheit ein Pflegekompetenzgesetz geplant, das entsprechende Reformen vorsieht. In Bezug auf die Versorgung im Krankenhaus wird darin unter dem Eckpunkt 9 konstatiert: „Im Krankenhausbereich sind erweiterte Rollen für Pflegefachpersonen international verbreitet. Damit diese auch in Deutschland umgesetzt werden können, ist auch hier ein eigener pflegerischer Handlungsrahmen, bis hin zur eigenständigen klinischen Entscheidung von Interventionen erforderlich. Wir gehen daher insbesondere auf die DKG und die Krankenhäuser zu, um zu klären, wie wir die Krankenhäuser in diesem Prozess weiter unterstützen können“ [1].

In Ergänzung zur Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und zu anderen Interessenvertretungen verfügen Fachgesellschaften der Fachpflege und der Ärzteschaft über medizinische, organisatorische und praxisbasierte Kompetenz. So wurde bereits vor fast einer Dekade die Notwendigkeit der Synchronisation der Interessen zur Stärkung der Notfallpflege erkannt, das Aktionsbündnis „Notfallpflege“ gegründet und ein entsprechendes Positionspapier veröffentlicht [2]. Im internationalen Kontext zeigte sich, das eine spezialisierte Pflege zu Ergebnisverbesserungen führen kann [3]. Im vorliegenden Schriftstück haben 2 große Fachgesellschaften, die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI) und die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e. V. (DGF), einen Konsens zu den interprofessionellen Handlungskompetenzen in der klinischen Akut- und Notfallmedizin erarbeitet.

Die DIVI vertritt in ihrer Rolle als wissenschaftliche, interdisziplinäre und interprofessionelle Dachgesellschaft sowohl die Fachpflege als auch die Ärzteschaft in den Bereichen der Intensiv- und Notfallmedizin – mit dem Ziel einer teambasierten Optimierung der Versorgung von schwer akut erkrankten Patienten.

Die DGF ist als Fachgesellschaft die Interessenvertretung der Fachkrankenpflege und Funktionsdienste: mit den Schwerpunkten Pflege auf Intensivstationen, in der Anästhesie, im OP und in der Notaufnahme. Schwerpunkt ist die Weiterentwicklung eigenständiger pflegerischer Kompetenzen im Rahmen integrativer interdisziplinärer Versorgungskonzepte der ambulanten und stationären Therapie und Pflege. Auf nationaler Ebene ist die DGF im Deutschen Pflegerat e. V. (DPR) organisiert. International ist die DGF Mitglied in der International Federation of Nurse Anesthetists (IFNA) und der European Federation of Critical Care Nursing Associations (EfCCNa).

Die politische Diskussion zur Aktualisierung des Pflegeberufegesetzes fokussiert auf die Berufsgruppe der 2-jährigen Fachkrankenpflege. Diesem Schwerpunkt folgen auch die im Weiteren dargestellten Empfehlungen, da die Berufsgruppe der Pflegefachpersonen, zusammen mit der Ärzteschaft, den personellen Kern der klinischen Akut- und Notfallmedizin bilden. Darüber hinaus haben jedoch eine Vielzahl weiterer Berufsgruppen, wie Medizinische Fachangestellte, Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen, anästhesietechnische Assistenten und Assistentinnen oder Physician Assistants einen ganz wesentlichen Anteil am Funktionieren der medizinischen Versorgung in der Notaufnahme. Eine Berücksichtigung des erweiterten Kreises von Berufsgruppen erhöht in der Abstimmung der Handlungskompetenzen die Komplexität erheblich. Daher ist es in den nächsten Schritten erforderlich und vorgesehen, die vorliegenden Empfehlungen – in Analogie – auf die anderen Berufe und Berufsgruppen zu übertragen und in einer weiteren Publikation zur Diskussion zu stellen.

Für die Intensivmedizin hat die DIVI kürzlich in paritätischer, interprofessioneller und multidisziplinärer Zusammenarbeit eine Empfehlung zu den „Interprofessionellen Handlungsfeldern in der Intensivmedizin“ erarbeitet und publiziert [4]. In dieser werden in 8 Kernaussagen und einer Matrix qualifikationsadaptiert Kompetenzen der Fachpflege vorgeschlagen.

Auf diesen Empfehlungen basierend wurde von einer erweiterten, paritätisch zusammengesetzten Arbeitsgruppe (siehe Autoren) ein ähnlicher Vorschlag für den Bereich der klinischen Akut- und Notfallmedizin entwickelt, der die Spezifika dieses Arbeitsbereiches abbildet. Die Grundlagen waren, neben der Expertise der beteiligten Personen, zentrale Publikationen aus dem deutschsprachigen und europäischen Raum sowie das Pflegeberufegesetz [5]. Nachdem der Entwurf im Vorfeld jeweils bereits kommentiert und modifiziert werden konnte, wurde das Manuskript in 4 Videokonferenzen innerhalb der Arbeitsgruppe diskutiert, weiterentwickelt und konsentiert. Die Empfehlungen wurden vom Präsidium der DIVI (am 7. Mai 2024) und dem Vorstand der DGF (am 28. April 2024) einstimmig beschlossen.



Publication History

Article published online:
07 June 2024

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