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DOI: 10.1055/a-2367-9463
Kommentar zu: „MAMMA – Mammografie: KI für den Erstbefund?“ und zu „KI identifiziert Karzinome auch bei extremer Brustdichte“
Die retrospektiven Studien befassen sich mit dem Einsatz der künstlichen Intelligenz [KI] im Rahmen des Mammografiescreenings in Dänemark und Norwegen. Die Screeningprogramme sind vergleichbar mit dem Patientenkollektiv und der Durchführung des Screenings in Deutschland.
In der Studie aus Dänemark von Kühl et al. detektierte die KI Mammakarzinome mit einer gleichwertigen Genauigkeit wie der Erstbefunder im Screening. Allerdings wurden aufgrund der retrospektiven Auswertung die von der KI als positiv und vom menschlichen Befunder als negativ eingestuften Mammografien nicht wieder einbestellt. Dies ergibt eine mögliche Bevorzugung der Performance zugunsten der Erstbefunder. Das verwendete KI-System vergibt Punktwerte von 0 bis 100%. Der Schwellenwert bezüglich suspekt vs. nicht suspekt wurde der Performance der Erstbefunder angepasst, sodass die Ergebnisse nicht auf andere Screening-Modelle übertragbar sind. Das Ergebnis der Studie könnte auch gering durch den Vergleich mit dem Erstbefunder beeinflusst worden sein, da der Erstbefunder in Dänemark meist weniger Erfahrung hat als der Zweitbefunder.
Die norwegische Studie von Bergan et al. untersuchte die KI-Performance unter Berücksichtigung der Brustdichte. Mehrere Triage-Szenarien wurden berechnet, indem sowohl die KI-Scores (1 bis 10) als auch die Brustdichte (4 Kategorien analog BI-RADS-Einteilung) mit einbezogen wurden. Das KI-System erbrachte über die verschiedenen Brustdichten hinweg eine konstante Leistung und zeigte sogar eine höhere Genauigkeit bei Patientinnen mit heterogenen oder extrem dichten Brüsten. Eine Kombination der Risikoscores der KI-Systeme mit der Brustdichte scheint somit sinnvoll zu sein.
KI im Rahmen des Mammografiescreenings wurde bereits anhand differenter Szenarien untersucht. In Metaanalysen wurde der Einsatz der KI bei der Mammografiebefundung nicht eindeutig befürwortet, da in bisherigen Studien deutliche Einschränkungen bezüglich der generellen Übertragbarkeit auf das Screening bestehen. Als Einschränkungen seien hier kleine oder nicht-screening-typische Patientenkollektive genannt. Die prospektive MASAI-Studie randomisierte im Zeitraum von 4/2021 bis 7/2022 mehr als 80 000 Frauen im schwedischen Screening-Programm entweder in den Arm der standardisierten Doppelbefundung oder in den zur KI-unterstützen Einfachbefundung [1].
Das KI-gestützte Mammografiescreening führte in dieser Studie zu einer ähnlichen Krebsentdeckungsrate bei einer wesentlich geringeren Arbeitsbelastung im Vergleich zum konventionellen Screening, was darauf hindeutet, dass der Einsatz von KI im Mammografiescreening sicher ist. Der primäre Endpunkt der Intervallkrebsrate wird bei 100 000 Teilnehmerinnen erst nach einer Nachbeobachtungszeit von 2 Jahren bewertet werden können.
KI im Rahmen von Screeningprogrammen wird in Zukunft definitiv eingesetzt werden, da ärztliche Ressourcen zur Befundung immer knapper werden. Die Frage ist nur, welche Aufgaben wir der KI überlassen. Denkbar sind Modelle, in denen die KI als Zweitbefunder agiert oder als Drittbefunder bei nichtkongruenten Ergebnissen von Befunder 1 und 2, als primäres Tool zur Vorselektion komplett unauffälliger Befunde oder als alleiniges Screeningtool [2]. Die Performance der Systeme wird auch von der Einstellung der Schwellenwerte abhängen.
Die European Commission Initiative on Breast Cancer empfiehlt aktuell den Einsatz der KI im Screening lediglich als Unterstützung bei der Doppelbefundung und nicht als Ersatz des 2. Befunders [3].
Ungeklärt sind bis dato die Kosten der KI, die rechtlichen Aspekte und die Akzeptanz durch die gescreenten Frauen [4]. Sollte die Tomosynthese im Screening in Zukunft nicht nur zur Abklärung unklarer Befunde, sondern als primäre Methode eingesetzt werden, werden prospektive, randomisierte Studien notwendig sein, um den Benefit der KI in Kombination mit der Tomosynthese hinsichtlich der Detektion von Mammakarzinomen, Intervallkarzinomen und Zeitersparnis bei der Befundung zu erforschen [1].
Publication History
Article published online:
25 October 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Lång K, Josefsson V, Larsson A-M. et al. Artificial intelligence-supported screen reading versus standard double reading in the Mammography Screening with Artificial Intelligence trial (MASAI): a clinical safety analysis of a randomised, controlled, non-inferiority, single-blinded, screening accuracy study. Lancet Oncol 2023; 24: 936-944
- 2 Taylor-Phillips S, Seedat F, Kijauskaite G. et al. UK National Screening Committee’s approach to reviewing evidence on artificial intelligence in breast cancer screening. Lancet Digit Health 2022; 4: e558-e565 DOI: 10.1016/S2589-7500(22)00088-7. (PMID: 35750402)
- 3 Accessed July 17, 2024 at: https://cancer-screening-and-care.jrc.ec.europa.eu/en/ecibc/european-breast-cancer-guidelines?topic=64&usertype=60&updatef2=0
- 4 Viberg Johansson J, Dembrower K, Strand F. et al. Women’s perceptions and attitudes towards the use of AI in mammography in Sweden: a qualitative interview study. BMJ Open 2024; 14: e084014