Zahnmedizin up2date 2024; 18(06): 517-534
DOI: 10.1055/a-2383-3395
Zahnerhaltung, Prävention und Restauration

Zahnmedizin in Geriatrie und Pflege: Notwendigkeit einer Symbiose

Julia Jockusch
,
Ina Nitschke

Stellen Sie sich ein Orchester ohne Dirigenten vor – das Ergebnis wäre chaotisch. Ähnlich ist es in der Gesundheitsversorgung einer alternden Gesellschaft: Geriatrie, Pflege, Zahnmedizin und Angehörige sind wie Instrumente, die nur im Einklang ihre volle Wirkung entfalten. Nur durch ihr Zusammenspiel entsteht eine Versorgung, die den Bedürfnissen und Bedarfen älterer Menschen gerecht wird und ihre Lebensqualität bis ins hohe Alter sichert.

Kernaussagen
  • Demografischer Wandel: In Deutschland wird die Bevölkerung älter; der Altenquotient steigt bis 2070 auf 50. Dies stellt das Gesundheitssystem bzw. das ganze deutsche Sozialsystem vor große Herausforderungen. Der „Generationsvertrag“ ist stark belastet.

  • Multimorbidität: Bei älteren Menschen steigt die Anzahl der chronischen Erkrankungen, an denen ein Betagter oder Hochbetagter gleichzeitig leidet, sodass die medizinische und zahnmedizinische Behandlung komplexer und dadurch kostenintensiver wird. Im Zuge der Multimorbidität müssen ältere Menschen häufig viele Medikamente einnehmen (Polypharmazie).

  • Geriatrische Syndrome: Probleme wie Instabilität und Inkontinenz erfordern umfassende Betreuung. Dazu gehört auch eine gute Versorgung der Mundhöhle, eine schlechte Mundgesundheit wirkt sich auf die allgemeine Gesundheit aus.

  • Pflegebedarf: Die Anzahl der Pflegebedürftigen wird bis 2060 deutlich steigen, was sowohl die ambulante als auch die stationäre Pflege belastet.

  • Ambulante Pflege: Die steigende Zahl der ambulant gepflegten Personen erhöht den Bedarf an mobiler zahnmedizinischer Versorgung.

  • Zahnmedizinische Betreuung: Pflegebedürftige Menschen benötigen wie jeder Mensch Zugang zur regelmäßigen zahnärztlichen Diagnostik und Therapie. Zusätzlich sollten sich alle Teammitglieder darum kümmern, dass der Patient mit Pflegebedarf sicher an die Praxis angebunden ist und sich dort immer an das Team wenden kann. Die zahnärztliche Behandlung wandelt sich mit zunehmender Gebrechlichkeit in eine zahnmedizinische Betreuung.

  • Aufsuchende Betreuung: Aufsuchende zahnmedizinische Betreuung ist entscheidend, um präventive und notwendige Behandlungen vor Ort, in der Häuslichkeit oder Pflegeeinrichtung, durchzuführen.

  • Kooperationsverträge: Seit 2014 ermöglichen Verträge zwischen Pflegeeinrichtungen und Zahnärzten eine kontinuierliche Betreuung, aber nicht alle Pflegebedürftigen profitieren davon.

  • Mobile zahnärztliche Versorgung: Gesetze wie das Versorgungsstrukturgesetz und das Versorgungsstärkungsgesetz unterstützen die mobile zahnmedizinische Betreuung zur Schließung von Versorgungslücken.

  • Fortbildung und Integration: Zahnärzte sollten sich fortlaufend fortbilden und eng mit den Vertretenden der Geriatrie und der Pflege zusammenarbeiten, um die Mundgesundheit älterer Menschen zu sichern.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
05. Dezember 2024

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