retten! 2024; 13(05): 281
DOI: 10.1055/a-2406-4076
Editorial

Dosis sola facit venenum – allein die Dosis macht das Gift

Sönke Müller

Die Erkenntnis, dass jede Substanz unter bestimmten Umständen schädlich oder sogar tödlich wirken kann, hat bereits im 16. Jahrhundert den Schweizer Arzt Paracelsus zu dieser Aussage gebracht, die unbestritten das Wesen der Toxikologie beschreibt, nämlich das Vorhandensein einer Dosis-Wirkungs-Beziehung.

Genügen einerseits wenige Gramm Botulinumtoxin, dem stärksten bekannten Nervengift, um theoretisch die halbe Weltbevölkerung auszulöschen, so benötigen Sie andererseits immerhin etwa 7,5l des bekanntermaßen an sich untoxischen Wassers, um einen erwachsenen Menschen in den Zustand einer lebensbedrohlichen oder tödlichen Hyperhydratation zu bringen.

Dass Vergiftungen mit Pflanzen nach wie vor ein großes Thema sind, zeigt die Tatsache, dass etwa 10% der Anfragen bei den Giftinformationszentren in Deutschland die Aufnahme vermeintlich giftiger Pflanzen(-teile) betreffen. Insbesondere Vergiftungen im Kindesalter sind nicht selten. Fundierte Informationen über die Klassiker der Vergiftungen in unseren Breitengraden, z.B. durch Tollkirsche, Eibe, Herbstzeitlose oder Fingerhut, werden Ihnen in dieser Ausgabe in dem Beitrag über die Gefahr durch Giftpflanzen anschaulich nahegebracht.

Grundlegende Kenntnisse über Toxidrome, zu finden in einem weiteren Fachwissen-Beitrag dieser Ausgabe, sind wichtig, um bei unklaren Intoxikationen eine Verdachtsdiagnose zumindest hinsichtlich der auslösenden Substanzgruppe zu stellen, zu erhärten und gegebenenfalls erste adäquate Behandlungsschritte präklinisch einzuleiten.

Im Alltag stellen die häufig vorhandenen Mischintoxikationen bei gleichzeitig vorhandener Somnolenz oder Bewusstlosigkeit eines Patienten das Rettungsteam vor zunächst oft schier unlösbare Aufgaben. Die Kombination aus Anamnese nach klassischen Schemata sowie die körperlich-apparativen Untersuchungsbefunde sollten dann aber dazu führen, klassische Toxidrome wie das sympathomimetische, das anticholinerge, das cholinerge, das opioide und das serotoninerge Syndrom zu identifizieren und gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen, auch mit eine spezifische Antidottherapie – wann immer sinnvoll und möglich unter frühzeitiger Einbindung von Giftinformationszentralen.

Weniger kompliziert erscheint der Beitrag über Temperaturmanagement im Rettungsdienst. Die Erkenntnisse, die man im Rettungsdienstalltag daraus ziehen kann, sind jedoch Basics von erheblicher Relevanz.

Last but not least wird der Klassiker „akutes Koronarsyndrom“ als Beitrag der Rubrik „SAA & BPR in der Praxis“ mundgerecht aufbereitet und kann jedem Rettungsdienstler zur Auffrischung oder Erweiterung seiner Kenntnisse sowohl als Haupt- als auch als Nachspeise im Beitragsmenü wärmstens empfohlen werden.

Ihr Dr. Sönke Müller



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Article published online:
21 November 2024

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