Aktuelle Dermatologie 2024; 50(12): 581-583
DOI: 10.1055/a-2410-9425
Tagungsbericht

Die Arbeitsgemeinschaft Geschichte der Dermatologie und Venerologie (AGDV) auf der FOBI München

Call for Abstracts für die 53. DDG-Tagung 2025The Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Dermatologie und Venerologie at the FOBI MunichCall for Abstracts for the 53th DDG congress 2025
Deborah Maria Gregersen
1   Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
,
Martin Lorenz
2   Dermatologisches Zentrum Dr. Lorenz & Koll., Kaiserslautern, Deutschland
,
Christoph Löser
3   Hautklinik, Hauttumorzentrum, Klinikum Ludwigshafen gGmbH, Ludwigshafen, Deutschland
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Jahressitzung und Call for Abstracts

Die Jahressitzung der AGDV auf der Münchner FOBI wurde durch Friedrich Bahmer (Münster) eingestimmt. Er nahm die Teilnehmer mit in die „Hölle des Hürtgenwaldes“ zu einem künstlerisch-poetischen und persönlichen Gedenkbeitrag zu Günter Stüttgen (1919–2003) und Günter Eich (1907–1972). Nach musikalischer Einstimmung durch die Dire Straits schilderte er auf berührende Weise amerikanische und deutsche Perspektiven der „Allerseelenschlacht“ im Hürtgenwald von 1944. Stüttgens humanes Engagement als Sanitätsoffizier wurde 1996 von Veteranen des US-amerikanischen Militärs geehrt: Stüttgen erwirkte Unterbrechungen der Kampfhandlungen zur Bergung von Verwundeten und Überlebenden ohne nach Nationalität und Militärzugehörigkeit zu unterscheiden. So wurden neben deutschen Soldaten auch zahlreiche amerikanische Soldaten von Stüttgen versorgt. Günter Eichs Einblicke in dessen Nachkriegsjahre mit dem Gedicht „Latrine“ sowie Bahmers persönliche Worte zur Kriegsgeneration rundeten den Beitrag ab.

Anschließend berichtete Michael L. Geiges (Kloten, Schweiz) von der letzten Pockenepidemie in der Schweiz 1921. Besondere Bedeutung zur Frühdiagnostik kam dem persönlichen Einsatz des Arztes Max Tièche (1878–1938) zu, der sich und sein Personal gegenüber den echten Pocken sensibilisierte. Mittels Skarifikation mit Serum von neuerkrankten Patienten an Dr. Tièches gelang die Unterscheidung zwischen Pocken und den ebenfalls grassierenden Windpocken innerhalb weniger Stunden (ähnlich eines heutigen Pricktests). Damit konnte die Entscheidung zur Pockenquarantäne oder deren Aufhebung relativ rasch getroffen werden. Eine Parallele zur aktuellen Corona-Pandemie zeigte sich in der Ablehnung der Pockenimpfpflicht in der Schweizerischen Bevölkerung 1883. Erst der letzten Pockenepidemie 1921 folgend, wurde die Impfpflicht zunächst in einzelnen Kantonen und schlussendlich auf Schweizer Bundesebene eingeführt. Einige der aus dieser Epidemie entstandenen Moulagen zu verschiedenen Pockenstadien sind heute im Züricher Moulagenmuseum zu sehen.

Deborah Gregersen (Jena) sprach über „das therapeutische Fenster“ der Psoriasisphototherapie. Ende der 1970er-Jahre untersuchte der in Jena am Zentralinstitut für Mikrobiologie und Experimentelle Therapie (ZIMET) tätige Chemiker Hartmut Lang (1943–2001) die UV-Absorption von Nukleinsäuren und Immunzellen – Versuche an der Haut blieben aus. Darauf fußte seine Theorie des effektivsten und nebenwirkungsärmsten Wellenlängenspektrums von 320–335 nm für die Psoriasistherapie. Die als „Spezifische Hochintensitätstherapie der Psoriasis (SHIP-Therapie)“ deklarierte Therapie scheiterte kläglich an den klinischen Ergebnissen. Brisant in diesem Zusammenhang sind die zeitlichen Parallelen zur Entwicklung der Schmalspektrum-UVB311nm-Therapie im US-amerikanischen Raum. Dies scheint ein Erklärungsansatz zu sein, warum trotz schlechter klinischer Ergebnisse und DDR-Mangelwirtschaft dort eine eigene Glühlampe für die SHIP-Therapie entwickelt wurde.

Mit einem Abriss der Geschichte des Allergiebegriffs leitete Ulrich Meyer (Berlin) seinen Beitrag zu „Calcium, Histaminase, H1-Antagonisten und Cromoglicinsäure – Einige Schlaglichter zur Geschichte der Antiallergika“ ein. Durch theoretische Überlegungen zum Stellenwert des Kalziums bei der Blutgerinnung und Besonderheiten derselben beim Auftreten des Diphtherie-Serumexanthems postulierte der englische Arzt Almroth Wright (1861–1947) die therapeutische Wirksamkeit von Kalzium. Dies etablierte sich rasch zum festen Bestandteil dermatologischer und allergischer Erkrankungen in der praktischen Medizin. Herausragend an Wrights Forschergeist war, dass er nicht zurückschreckte, seine Kalziumthese durch die Forschung eines seiner Schüler widerlegen zu lassen. Kalzium und Histaminase (als Torantil von Höchst vermarktet) stellten sich in pharmazeutischer Hinsicht rasch als Sackgasse für die Allergietherapie heraus, dennoch hielt sich die Kalziumtherapie in der Dermatotherapie noch weitere Jahrzehnte in der Praxis. Der Gebrauch der Antihistaminika (AH) ist seit ihrer offiziellen Entdeckung im Jahr 1942 mit Phenbenzamin (Antergan) von Rhône-Poulenc ungebrochen. Die jeweils zuvor 1939 bei Höchst (Frankfurt am Main) und bei CIBA (Basel) entdeckten AH (Phenpipran und Antazolin)wurden erst danach als solche identifiziert. Das bis heute weltweit führend genutzte AH topisches Azelastin (z. B. Allergodil) wurde zwar seit 1981 von den Bielefelder ASTA-Werken vermarktet, aber nicht zu dieser Zeit dort entwickelt, sondern bereits 1957 im Rodlebener Hydrierwerk in der DDR. Herr Meyer ehrte schließlich das Werk von Roger Altounyan (1922–1987), der dank Eigenversuchen die Cromoglicinsäure und Mastzellstabilisation entdeckte. Der Beitrag kam ohne Power-Point-Präsentation aus, zur bildlichen Verdeutlichung dienten Freiexemplare der Dissertationsschrift, die jeder Teilnehmer der Sitzung erhielt.

Als Nächstes beleuchtete Christoph Löser (Ludwigshafen) einige Aspekte von „Pornografie und Dermatologie“. Das Thema wurde dem Vortragenden durch die US-amerikanische „History of Dermatology Society“ für deren Jahressitzung gegeben. Löser definierte zunächst die Pornografie als jegliches Medium, das der sexuellen Erregung diene. Was als Pornografie wahrgenommen werde, sei allerdings kulturell und individuell verschieden. Als Beispiel diente die Wahrnehmung von nackter Haut und insbesondere der Mamillen in der Öffentlichkeit und der Fachliteratur. Zur Verbindung von Pornografie zur Dermatologie fanden sich kaum Literaturquellen. Lediglich die Sozial- und Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming scheint sich dem Thema wissenschaftlich zu nähern. Ein Weckruf war der Bericht, dass Pornonutzer sich Zutritt zu medizinischem Bildmaterial verschaffen. Ein Missbrauch unseres dermatologischen und insbesondere pädiatrisch-dermatologischen Bildmaterials ließe sich anhand der immens hohen „Views“ und „Reads“ von Fachartikeln (z. B. zur pubogenitalen Tinea) erahnen. Dies scheint noch nicht ausreichend ins Bewusstsein gerückt. Hier wäre ein Ansatzpunkt, digitale Sperren einzurichten.

Hanka Lantzsch (Westerland, Sylt) berichtete von der Geschichte der Nordseeklinik Westerland und deren dermatologischer Tradition. Das Reizklima der Nordsee wurde seit Bestehen der Klinik in den 1850er-Jahren für chronisch Kranke genutzt. 1965 öffnete eine dermatologische Abteilung für die Behandlung chronisch-entzündlicher Hauterkrankungen. In den 1990er-Jahren wurde die Klinik der Asklepios Gruppe angegliedert und seitdem besteht eine enge Kooperation mit dem Hamburger St. Georg-Krankenhaus. 2018 übernahm Frau Lantzsch die Leitung der dermatologischen Abteilung der Klinik und etablierte eine naturheilkundliche Komplexbehandlung. So werden Patienten länger als 3 Wochen wie in der regulären Reha üblich behandelt. Eine Besonderheit der Dermatologie der Nordseeklinik ist die Nutzung einer Heliotherapiedüne seit 1968, die mit einem patientenindividuellen Dünenpass betreten werden darf. Zum Schluss ergriff unser Ehrenmitglied Gerd Plewig das Wort und berichtete von Ausflügen an den Sylter Strand mit den ärztlichen Kollegen seiner Kieler Studienzeit. Ihnen wurde dort auf unvergessliche Weise die Dynamik der Körperkerntemperatur vor und nach dem Baden im kalten Nordseewasser gelehrt.

Im Anschluss an die inhaltlichen Beiträge folgte die Mitgliederversammlung, bei der Christoph Löser über das Engagement im DDG-Archiv berichtete. Das DDG-Archiv wird im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv (BBWA) verwaltet und enthält u. a. den Nachlass von Albrecht Scholz (1940–2013). Das Präsidium der DDG ist der Nutzung des Archivs aufgeschlossen, womit wichtige dermatohistorische Quellen für Jahrzehnte gesichert werden könnten. Ein aktuelles Projekt ist, 15 Laufmeter von Joseph Jadassohns (1863–1936) Separata dorthin zu überführen. Derweil befindet sich die Sammlung unter Michael Geigesʼ Obhut in der Züricher Moulagensammlung. Ein Projekt von Alexander Schneller beschäftigt sich mit der Integration von Moulagen in die virtuelle Lehre.

Als wichtigster Punkt der Mitgliederversammlung folgte die Ernennung von Michael Geiges zum Ehrenmitglied. Die Laudatio gestaltete Christoph Löser interaktiv als Frage-und-Antwort-Spiel, was persönliche und biografische Einblicke gewährte. Die Frage nach Rat für junge Mediziner trifft den Kern historischer Arbeit: gute alte Bücher lesen, stets auf Primärquellen zurückgreifen und die Texte in ihrer Zeit lesen.

Wir laden alle Interessierten und Geschichtsliebhaber zu guter Letzt herzlich zur nächsten Sitzung der AGDV mit Mitgliederversammlung und Prämierung eines Posterpreises am 29.04.2025 im Rahmen der 53. DDG-Tagung 2025 (30.04.–03.05.2025 in Berlin ein. Ort und Zeit der Sitzung stehen noch nicht abschließend fest und werden noch bekannt gegeben. Für diese nächste Versammlung rufen wir auf, Posterabstracts in der Rubrik „Dermatologie im gesellschaftlichen Kontext“ einzureichen. Alle Beiträge zur Dermatologie mit geschichtlichem Bezug können eingereicht werden. Die Abstracts sollten regulär bei der DDG eingereicht, zusätzlich als pdf-Dokument an Deborahmaria.gregersen@med.uni-jena.de gesendet und das Poster in Präsenz auf unserer Versammlung als Kurzvortrag präsentiert werden. Die genauen Teilnahmebedingungen entnehmen Sie der Infobox ([ Tab. 1 ]). Die besten 3 Poster werden prämiert. Die Preisverleihung findet im Anschluss an die Mitgliederversammlung statt.

Tab. 1

Auslobung Posterpreis Teilnahmebedingungen.

3 Posterpreise

1-mal 300,– €, 2-mal 100,– €

Einreichen DDG-Tagung

in der Rubrik „Dermatologie im gesellschaftlichen Kontext“

Einreichen AGDV

Abstract als pdf an deborahmaria.gregersen@med.uni-jena.de

Prämierung am 29.04.2025

  • Posterausstellung am 29.04.2024 im Rahmen der AGDV-Versammlung

  • Kurzvortrag zum Poster 5 Minuten

  • Prämierung im Rahmen der AGDV-Sitzung

  • Teilnahme nur in Präsenz möglich

Auf Nennung akademischer Grade wird verzichtet.



Publication History

Article published online:
11 December 2024

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