Kinder- und Jugendmedizin 2024; 24(06): 391-392
DOI: 10.1055/a-2412-4438
Editorial

Angeborene Stoffwechselerkrankungen

Skadi Beblo
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PD Dr. med. Skadi Beblo Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Leipzig

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Spezialgebiet der speziellen pädiatrischen Stoffwechselmedizin findet über die vergangenen 2–3 Jahrzehnte zunehmend Beachtung innerhalb der Pädiatrie und inzwischen auch darüber hinaus. Das liegt daran, dass mit Hilfe verfeinerter diagnostischer Möglichkeiten die Anzahl der bekannten betroffenen Patienten kontinuierlich wächst. Hierbei sei insbesondere das moderne Neugeborenscreening und die Möglichkeiten der modernen humangenetischen Diagnostik genannt. Auch die Entwicklung spezifischer Therapien schreitet derzeit rasch voran, was zu verbesserter Lebensqualität und höherer Lebenserwartung führt.

Bis vor wenigen Jahren basierte die klassische Therapie angeborener Stoffwechselerkrankungen allein auf spezifischen diätetischen Maßnahmen, die das Ziel haben, das sich anstauende Substrat zu reduzieren und das fehlende Produkt zu supplementieren. Diese Therapie wurde anhand der klassischen Phenylketonurie in den 1960er-Jahren etabliert und gilt seither als Modell für viele weitere Erkrankungen. Eine klare Übersicht zur Erkrankung der klassischen Phenylketonurie unter Einbezug wichtiger Aspekte für die Nachfolgegeneration (Kinder von PKU-Müttern) bietet der Beitrag von Rhode et al. Selbst bei dieser altbekannten Erkrankung gibt es zunehmend neue therapeutische Aspekte wie die Chaperon-Therapie mit Cofaktoren sowie die Enzymsubstitutionstherapie.

Nicht alle angeborenen Stoffwechselerkrankungen können im Neugeborenenscreening erfasst werden und ein unauffälliges Neugeborenenscreening schließt eine angeborene Stoffwechselstörung niemals aus. Besonderes Augenmerk sollte deshalb auf eine besonders wichtige, in der Regel frühkindlich manifest und meist lebensbedrohliche Erkrankungsgruppe gelegt werden: die Harnstoffzyklusdefekte. Da hier bei oft unübersichtlichem klinischem Bild und nur verzögert verfügbaren diagnostischen Möglichkeiten schnelles Handeln gefragt ist, möchte ich Ihnen den Artikel von Posset und Zielonka besonders ans Herz legen.

Die deutlich erweiterten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten betreffen nicht nur historisch als klassische Stoffwechselstörungen bezeichnete Erkrankungen, sondern insbesondere auch die große, sehr heterogene Gruppe der Speichererkrankungen. Wie sehr sich hier die therapeutischen Möglichkeiten und damit der klinische Verlauf der betroffenen Patienten verändert hat, zeigt die Übersicht von Hennermann.

Nicht zuletzt möchte ich noch auf 2 alte Bekannte der Stoffwechselmedizin hinweisen, den kongenitalen Hyperinsulinismus und die familiäre Hypercholesterinämie. Ähnlich wie bei den Harnstoffzyklusdefekten ist eine frühzeitige Diagnosestellung beim kongenitalen Hyperinsulinismus essenziell, denn die unvorhersehbaren Hypoglykämien sind insbesondere im (frühen) Säuglingsalter schwer zu erkennen, führen aber oft zu schweren Folgeschäden. Hier zeigt der Beitrag von Empting und Mohnike einen gut strukturierten Diagnostikplan auf und diskutiert die verfügbaren therapeutischen Möglichkeiten.

Das Krankheitsbild der familiären Hypercholesterinämie ist über lange Zeit in der Kinderheilkunde vernachlässigt worden, da die Folgeerkrankungen oft erst im Erwachsenenalter auftreten. Daten zur Wichtigkeit der frühzeitigen, also bereits im Kindesalter beginnenden Prävention von späteren kardiovaskulären Erkrankungen sind erst seit Kurzem verfügbar. Da die familiäre Hypercholesterinämie kumulativ nicht selten, sondern häufig ist, die möglichen Komplikationen erheblich sind, die Präventionsmaßnahmen aber nachweislich effektiv, ist dieses Krankheitsbild wieder vermehrt in den Fokus der Kinderärzte gerückt. Dies spiegelt sich auch in dem Bestreben des Bundesgesundheitsministeriums wider, ein Screening für familiäre Hypercholesterinämie in das reguläre Kinder-Vorsorgeprogramm aufzunehmen. Wegen der Aktualität des Themas und der Bedeutung der Erkrankung für die Gesellschaft wurde der Beitrag von Weigel und Schwab als CME-Fortbildung gestaltet.

Insgesamt haben wir versucht, eine Übersicht über verschiedene Untergruppen der pädiatrischen Stoffwechselmedizin zusammenzustellen. Natürlich können hier nur exemplarisch einzelne Krankheitsbilder besprochen werden. Sie mögen Ihnen als Anregung dienen, sich intensiver mit diesem vielfältigen Spezialgebiet der Pädiatrie auseinanderzusetzen. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

Skadi Beblo, Leipzig



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
02. Dezember 2024

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