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DOI: 10.1055/a-2424-1286
Stimmt es eigentlich, dass …? – Mythen in der Kinder und Jugendrheumatologie
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wieder geht ein im globalen Blick unruhiges und von Krisen geprägtes Jahr zu Ende. Gleichzeitig hoffen wir dennoch, dass es für Sie persönlich auch berufliche und private Lichtblicke und Glücksmomente gab.
Wie auch in den Vorjahren, so setzen wir auch in diesem Jahr die Tradition fort, das letzte Heft des Jahres als Schwerpunktheft mit Themen der Kinder- und Jugendrheumatologie zu gestalten. In diesem Jahr haben wir Kolleg*innen gebeten, sich alltäglichen, gleichzeitig aber häufig ungeklärten Fragen zu widmen. Wir lehnen uns hiermit an das beliebte Kongressformat der DGRh/GKJR-Tagungen „Stimmt es eigentlich, dass …“ an.
Als erstes widmen sich Anna Raab und Frank Dressler (Medizinische Hochschule Hannover) der für die betroffenen Kinder und Jugendlichen hochrelevanten Frage, ob es bei der Methotrexat-Therapie Unterschiede im Hinblick auf Wirksamkeit und Verträglichkeit bei oraler versus subkutaner Gabe gibt. Trotz des langjährigen und breiten Einsatzes dieser Substanz liegen zur Beantwortung dieser Fragen erstaunlich wenige systematische Studien vor.
Ein Argument für die Fortführung einer Methotrexat-Therapie auch nach Einführung eines monoklonalen TNF-Antikörpers ist in der gelebten Praxis die Vermeidung von Anti-Drug-Antikörpern (ADAbs). Claas Hinze (Universitätsklinikum Münster) fasst in seiner differenzierten Übersicht immunologische Mechanismen und Anwendungsdaten zu Ausmaß und Bedingungen, unter denen ADAbs auftreten können, zusammen und gibt Empfehlungen im Umgang mit dieser häufigen Therapiehürde.
Als Alternative zur oralen Steroidtherapie wird zur Vermeidung und Reduktion Steroid-bedingter unerwünschter Nebenwirkungen in der Kinder- und Jugendrheumatologie seit vielen Jahrzehnten die Steroidpulstherapie eingesetzt. Frank Weller-Heinemann (Klinikum Bremen-Mitte) hat eine umfassende Übersicht zum Einsatz von Steroiden und zur Praxis der weiterhin sehr verbreiteten, aber wenig untersuchten, intravenösen Steroidpulstherapie erstellt.
Mit der Zulassung und breiten Anwendung vieler hochwirksamer Substanzen hat sich der Anteil der Kinder und Jugendlichen, bei denen sich eine klinisch inaktive Erkrankung erreichen lässt, in den letzten Jahren signifikant erhöht. Hieraus ergibt sich eine der derzeit wichtigsten Fragen der Kinder- und Jugendrheumatologie, nämlich die der Absetzstrategien einer medikamentösen Therapie. Kirsten Minden (Deutsches Rheuma-Forschungszentrum und Charité Universitätsmedizin Berlin) zeigt in ihrer umfassenden und aktuellen Übersicht die vorhandene Evidenz zu den sehr unterschiedlichen Therapieeskalationsstrategien und diskutiert Studien und Prädiktoren für ein erfolgreiches Absetzen.
Dass bei rheumatischen Erkrankungen eine Immundysregulation in unterschiedlicher Ausprägung zugrunde liegt, gilt heute als gesichert. Welchen Einfluss Infektionen auf rheumatische Erkrankungen haben oder welchen Stellenwert andere „Herausforderungen“ an das Immunsystem wie Impfungen haben, ist weiterhin Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Gleichzeitig erwachsen hieraus viele (un-)belegte Mythen, denen sich Mirjam Freudenhammer und Markus Hufnagel (Universitätsklinikum Freiburg) in einer breiten Übersicht widmen mit dem Versuch, sich mit diesen wichtigen Fragen differenziert auseinander zu setzen.
In praktisch jedem Aufklärungsgespräch mit Eltern an Rheuma erkrankter Kinder und Jugendlicher spielt das Thema Ernährung eine Rolle. In diesem Themenkomplex liegt die Möglichkeit, den Betroffenen selbst (Be-)Handlungsspielraum zu geben, und die Gefahr, den Einfluss der Ernährung auf Entzündungsprozesse zu überschätzen und sich auf einseitige diätetische Maßnahmen zu fokussieren. Lisa Budzinski et al. (Deutsches Rheumaforschungszentrum und Charité Universitätsmedizin Berlin) widmen sich in ihrer Übersicht dem Zusammenspiel von Immunsystem, Entzündung und Darmflora und zeigen Daten aus Mikrobiomstudien, die den zentralen Stellenwert des Darms in der Immunhomöostase illustrieren.
So spannt dieses Schwerpunktheft einen weiten Bogen über viele einerseits alltäglich auftretende Fragen, die andererseits viel zu selten untersucht wurden und für die – legt man die praktische Relevanz zugrunde – viel zu wenige Daten vorliegen. Möge dies ein Ansporn für alle Leser*innen sein, sich diesen Fragen wissenschaftlich zu stellen! Doch zuvor wünschen wir Ihnen am Ende dieses Jahres zunächst Erholung und Zeit und uns allen für das neue Jahr mehr Frieden und einen optimistischen Blick in die Zukunft!
Es grüßt Sie herzlich die Schriftleitung Kinderrheumatologie
Prasad T. Oommen, Düsseldorf
Toni Hospach, Stuttgart
Frank Weller-Heinemann, Bremen
Almut Meyer-Bahlburg, Greifswald
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
09. Dezember 2024
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