PSYCH up2date 2025; 19(01): 3-4
DOI: 10.1055/a-2469-0713
Editorial

Krankenhausreform – und die Psych-Fächer?

Klaus Lieb

Nach dem Beschluss im Bundestag am 17.10.2024 hat in einer denkwürdigen Sitzung am 22.11.2024 die Krankenhausreform, eines der wichtigsten Vorhaben von Bundesminister Lauterbach, auch den Bundesrat passiert und tritt nun in Kraft. Die Umsetzung wird sicher einige Jahre in Anspruch nehmen.

Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) verfolgen Bundesregierung und Länder das Ziel, die Behandlungsqualität in Kliniken und die flächendeckende medizinische Versorgung für Patienten, auch im ländlichen Raum, zu stärken. Außerdem sollen die Krankenhäuser von Bürokratie und ökonomischem Druck entlastet und nicht notwendige Krankenhäuser abgebaut oder umgewandelt werden. Die unbeliebten und Fehlanreize setzenden DRG-Fallpauschalen sollen durch Vorhaltepauschalen weitgehend ersetzt werden, und mit Leistungsgruppen für die Behandlung bestimmter Krankheiten bzw. Krankheitsgruppen, für die sich Krankenhäuser durch das Erreichen spezifischer Qualitätskriterien qualifizieren müssen, soll die Behandlungsqualität verbessert werden.

Die PSYCH-Fächer, also die Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie, die Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und die Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie sind von dieser Reform ausgenommen, obwohl die Fächer etwa 15% der stationären Betten in Deutschland stellen. Und es ist derzeit nicht klar, ob es für die PSYCH-Fächer in Zukunft überhaupt eine Reform geben wird. Aus mehreren Gründen machte es tatsächlich Sinn, die PSYCH-Fächer zunächst von der Reform auszunehmen: Einerseits gibt es in den PSYCH-Fächern mit der PPP-RL ein eigenes Vergütungssystem, mit dem, wenn auch nicht zufriedenstellend, Mindestpersonalvoraussetzungen bzw. Personaluntergrenzen definiert werden und statt Fallpauschalen Tagessätze erstattet werden. Andererseits gibt es in den PSYCH-Fächern mit den Versorgungsaufträgen bzw. der regionalen Pflichtversorgung der psychiatrischen Kliniken genau das, was man sich mit dem KHVVG für die somatischen Fächer wünscht, nämlich eine flächendeckende Grundversorgung für psychiatrische Notfälle und eine heimatnahe Grundversorgung. Diese ist zwar nicht in allen Bundesländern komplett umgesetzt, grundsätzlich sind die PSYCH-Fächer den somatischen Fächern hier aber weit voraus. Der im September 2023 veröffentlichte Bericht der Regierungskommission zu den PSYCH-Fächern [1] hob diese Besonderheiten zurecht hervor. Die Vorschläge der Kommission für die Weiterentwicklung der PSYCH-Fächer springen aber neben vielen sinnvollen Vorschlägen, beispielsweise zu den PIAs und den Globalbudgets, an einigen Stellen zu kurz.

Die Regierungskommission führt aus, dass anders als in den somatischen Fächern aus den ICD-10-Diagnosen in der Regel nicht direkt diagnostische oder therapeutische Prozeduren abgeleitet werden könnten und der Versorgungsauftrag für eine Region die Behandlung aller Krankheitsbilder umfassen müsse. Dementsprechend empfiehlt die Regierungskommission keine Leistungsgruppen jenseits von Erwachsenenpsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychosomatik. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die PSYCH-Fächer für alle ihre wichtigsten Krankheitsbilder S3-Leitlinien vorhalten, die eine differenzierte und hoch spezialisierte Therapie notwendig machen. Selbstverständlich sollten die „großen“ Krankheitsbilder wie Depressionen, Schizophrenien und Suchterkrankungen sowie alle Notfälle in allen Krankenhäusern adäquat behandelt werden können. Sollten in Zukunft aber nur die genannten 3 Leistungsgruppen vorgehalten werden, würde man die Chance verpassen, Leistungsgruppen zu definieren, in denen Kliniken nur Therapieangebote machen können, wenn sie besondere Qualitätsanforderungen jenseits der Standardversorgung erfüllen. Dies wäre insbesondere dann sinnvoll, wenn die Krankheitsbilder seltener sind, besonderes Fachwissen benötigen und spezialisierte Kliniken überregionale Angebote mit Patienten füllen und mit besserer Qualität anbieten können. Beispiele wären aus meiner Sicht Angebote für die Transitionszeit, Mutter-Kind-Einheiten, Angebote für Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung oder Anorexie, für Menschen mit komorbiden Suchterkrankungen und Psychosen usw. Solche Leistungsgruppen würden die Behandlungsqualität deutlich verbessern.

Darüber hinaus empfiehlt die Regierungskommission keine Vorhaltepauschalen. Gerade die Kliniken, die rund um die Uhr eine Notfallversorgung und einen Konsiliardienst für somatische Notaufnahmen vorhalten, sollten aber eine Vorhaltepauschale erhalten. Und die Möglichkeit der sektorenunabhängigen Versorgung (Modellvorhaben nach § 64b SGB V) sollte zum Standard statt zur Option werden. Von der Möglichkeit, stationäre, tagesklinische und ambulante Leistungen bei einem Patienten in hoher Flexibilität anbieten können, würden v.a. unsere Patientinnen und Patienten profitieren. Die Chancen einer Krankenhausreform für die PSYCH-Fächer und für unsere Patientinnen und Patienten sollten nicht einfach verspielt werden.

Herzlich,
Univ.-Prof. Dr. Klaus Lieb,
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
24. Januar 2025

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