Die Wirbelsäule 2025; 09(02): 54-55
DOI: 10.1055/a-2480-4260
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Zervikale Radikulopathie: Foraminotomie versus Diskektomie und Fusion

Ralph Kothe
,
Nawar Ali

Die vorliegende Studie aus der FACET-Gruppe adressiert ein kontroverses Thema und vergleicht die Zweijahresergebnisse von zwei etablierten Techniken in der operativen Behandlung der zervikalen Radikulopathie.

In der randomisierten Multicenter-Studie wurden Patient*innen ohne radikuläre Schmerzen, mit reinen axialen Nackenschmerzen und mit zervikaler Myelopathie ausgeschlossen. Diese Selektion führt zunächst zu homogenen Studiengruppen. Die ventrale Dekompression erfordert eine Bandscheibenrekonstruktion entweder mit einer Endoprothese (CDA) oder einem Cage (ACDF). Die posteriore Foraminotomie (PF) hingegen ermöglicht eine gezielte Dekompression der Nervenwurzel bei gleichzeitiger Erhaltung der segmentalen Beweglichkeit. Daher ist ein stabiles Segment Voraussetzung für die PF.

Innerhalb der Gruppen mit radikulären Schmerzen wird nicht zwischen einem weichen diskogenen Vorfall oder einer knöchernen Kompression der Nervenwurzel durch eine Neuroforamenstenose unterschieden. Aus unserer Sicht ist dies ein wesentlicher Nachteil der Studie, da die besten Ergebnisse mit der PF bei weichen diskogenen Bedrängungen erzielt werden. Die ideale Indikation ist der weiche Bandscheibenvorfall, der zu mehr als 2/3 lateral des Myelons lokalisiert ist ([Abb. 1]). Ob eine knöcherne Neuroforamenstenose die Ursache für die rezidivierende Radikulopathie bei 19 (16%) der Patient*innen in der PF-Gruppe ist, lässt sich aus der Studie nicht ableiten. Davon mussten immerhin 11 (9%) revidiert und 8 (7%) wieder konservativ behandelt werden.

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Abb. 1 Zwei Beispiele einer sehr guten Indikation für die PF. Mindestens 2/3 der Masse des weichen BSVs liegen lateral vom Myelon.

Bei dorsalen Eingriffen an der HWS sollten die wichtigen Funktionen der zervikalen paravertebralen Muskulatur (Biomechanisch = Halten des Kopfgewichtes; Neurophysiologisch = Halten des Sehhorizonts) berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit die zugangsbedingte Muskeltraumatisierung zu minimieren ist deshalb selbsterklärend. Muskelschonende Techniken, wie die Laminoplastie anstelle der Laminektomie, sowie der transmuskuläre Zugang anstelle des subperiostealen Zuganges für die PF, gewinnen deshalb zunehmend an Bedeutung [1].

Ein Schwachpunkt der vorliegenden Studie ist deshalb, dass sie keine Details zur verwendeten Zugangstechnik bei der PF liefert. Ein transmuskulärer Zugang kann die postoperativen Nackenschmerzen in der frühen postoperativen Phase im Vergleich zum konventionellen subperiostealen Zugang signifikant reduzieren [2].

Eine zusätzliche Analyse des Studienkollektives adressiert die Kosteneffizienz beider Behandlungsmethoden über die gesamte Studiendauer aus gesellschaftlicher Perspektive [3]. Diese Perspektive umfasst sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen und Produktivitätsverlusten der Patient*innen. Da die klinischen Ergebnisse beider Behandlungsmethoden keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich postoperativer Armschmerzen und Lebensqualität aufweisen, wird die PF als kosteneffizienter betrachtet, da sie mit geringeren Gesamtkosten im Vergleich zur anterioren Dekompression verbunden ist. Diese Reduktion in den Behandlungskosten ist für das Gesundheitssystem von großer Bedeutung und könnte durch eine sorgfältigere Patientenselektion weiter optimiert werden, wenn dadurch die Re-Operationsrate verringert werden kann.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
07. April 2025

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  • Literatur

  • 1 Kothe R, Schmeiser G, Papavero L. et al. Minimalinvasive Chirurgie an der Halswirbelsäule: Evidenz, Tipps und Tricks. Wirbelsäule 2023; 7: 169-176
  • 2 Eicker SO, Steiger HJ, El-Kathib M. et al. A transtubular microsurgical approach to treat lateral cervical disc herniation. World Neurosurg 2016; 88: 503-509
  • 3 Broekema AEH, Simões de Souza NF, Groen RJM. et al. Cost-effectiveness of posterior versus anterior surgery for cervical radiculopathy: results from a multicenter randomized non-inferiority trial (facet). Eur Spine J 2024; 33: 3087-3098