Diabetes aktuell 2025; 23(01): 23-36
DOI: 10.1055/a-2500-1766
Schwerpunkt

Diabetes im Krankenhaus

Karsten Müssig
1   Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie, Niels-Stensen-Kliniken, Franziskus-Hospital Harderberg, Georgsmarienhütte, Deutschland
,
Baptist Gallwitz
2   Deutsche Diabetes Gesellschaft, Albrechtstr. 9, 10117 Berlin, Deutschland
,
Thomas Haak
3   Diabetes-Klinik am Diabetes Zentrum Mergentheim, Bad Mergentheim, Deutschland
,
Monika Kellerer
4   Zentrum für Innere Medizin I, Marienhospital Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
,
Erhard Siegel
5   Klinik für Gastroenterologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin, St. Josefskrankenhaus Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
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Epidemiologie und Bedeutung der Hyperglykämie im Krankenhaus

Die Behandlung des Diabetes im Krankenhaus spielt durch die wachsende Zahl älterer multimorbider Patienten mit Diabetes eine immer größere Rolle. Schon heute hat jeder 5. Klinikpatient in Deutschland einen Diabetes mellitus [1]. Dies entspricht ca. 3 Millionen Patientinnen und Patienten pro Jahr, die mit einem Diabetes mellitus stationär behandelt werden. Meist wird die Erkrankung Diabetes dabei als „Nebendiagnose“ geführt. Diabetes im Krankenhaus erfordert aufgrund der Mitbehandlung von diabetesbedingten Komplikationen sowie aufgrund akuter und chronischer Stoffwechseldekompensationen und im perioperativen Management andere Behandlungspfade als bei Menschen ohne Diabetes.

Nicht selten wird auch im Rahmen eines stationären Aufenthaltes die Erstdiagnose eines Diabetes gestellt. Fritsche et al. haben in einem repräsentativen Zeitraum von 4 Wochen in einem Krankenhaus der Maximalversorgung bei allen Patienten über 18 Jahre in allen Abteilungen den HbA1c-Wert bestimmt [2]. Hierbei ergab sich, dass bei 3,7 % der Patienten ein bisher unerkannter Diabetes vorlag. Das Screening auf unerkannten Diabetes durch eine HbA1c-Bestimmung bei stationärer Aufnahme lohne sich laut Autoren insbesondere bei Patienten ab einem Alter von ca. 50 Jahren, da hierbei die Diabetesprävalenz deutlich ansteige.

Die American Diabetes Association (ADA) definiert eine Hyperglykämie bei hospitalisierten Patienten ab einem Blutglukosewert über 140 mg/dl (7,8 mmol/l) [3]. Bei allen Patienten, die dieses Kriterium erfüllen, soll eine HbA1c-Bestimmung durchgeführt werden.

Neuere Erhebungen zeigen, dass Menschen mit Diabetes eine um durchschnittlich 1 bis 2 Tage längere Verweildauer und eine ca. 1,5-fach höhere Mortalität im Krankenhaus aufweisen. Ursache dafür ist in aller Regel eine schlechte Stoffwechsellage, die während des stationären Aufenthalts oft nicht angemessen behandelt wird. Sowohl Hyperglykämie als auch Hypoglykämie und die Glukosevariabilität sind mit einem schlechterem Genesungsverlauf und einer erhöhten Komplikationsrate assoziiert [1], [4]–[7].

Die Stresshyperglykämie als Begleitphänomen einer schweren Erkrankung geht dabei mit einer besonders ungünstigen Prognose einher [8], [9]. Als Ursache der Stresshyperglykämie kommt der Einfluss vermehrt freigesetzter proinflammatorischer Zytokine, Katecholamine und anderer kontrainsulinärer Hormone bei akuter Erkrankung in Frage. Für die Behandlung gelten die gleichen glykämischen Zielwerte wie auch sonst bei Diabetes mellitus im Krankenhaus.

Die Prävalenz von hyper- und hypoglykämischen Stoffwechselentgleisungen während eines stationären Aufenthaltes liegt bei Menschen mit Diabetes und Prädiabetes bei mindestens 40 % [10]. Operative Eingriffe stellen dabei noch eine Sondersituation dar, da durch den Eingriff selbst zahlreiche kontrainsulinär wirkende Botenstoffe freigesetzt werden können. Sehr häufig kommt es deshalb zur perioperativen Hyperglykämie bei chirurgischen Patienten (20 bis 90 %). Diese ist wiederum mit einer erhöhten Rate an Infektionen und Wundheilungsstörungen assoziiert [11]–[13].



Publication History

Article published online:
14 February 2025

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