Diabetes aktuell 2025; 23(02): 49
DOI: 10.1055/a-2525-5383
Editorial

KI in der Diabetologie – wo geht die Reise hin?

Antje Bergmann
,
Peter Schwarz

Die Diabetologie erlebt derzeit einen fundamentalen Wandel durch den verstärkten Einsatz künstlicher Intelligenz. Neue Technologien auf Basis von Big Data und maschinellem Lernen ermöglichen eine präzisere Diagnostik, personalisierte Therapieansätze und eine optimierte Prävention. Diabetes gilt als eine der datenintensivsten Erkrankungen, da im Verlauf der Therapie kontinuierlich enorme Mengen an Gesundheitsdaten anfallen. Kontinuierliche Glukosemessungen, Ernährungs- und Aktivitätsdaten sowie genetische und biomedizinische Parameter bieten eine riesige Datenbasis, die mit KI-gestützten Algorithmen analysiert und genutzt werden kann, um genauere Vorhersagen zu treffen und individuell abgestimmte Behandlungsstrategien zu entwickeln.

Insbesondere in der Therapie können KI-Systeme eine wertvolle Unterstützung leisten. Durch maschinelles Lernen ist es möglich, Insulindosierungen basierend auf individuellen Blutzuckerverläufen und weiteren Parametern anzupassen. Systeme zur automatischen Insulindosierung, sogenannte AID-Systeme, sorgen dafür, dass Insulinpumpen die Glukosewerte kontinuierlich auswerten und in Echtzeit regulieren, was die Gefahr von Hypoglykämien reduziert und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessert. Die Integration von künstlicher Intelligenz in die Diabetestherapie kann zudem dabei helfen, Therapieentscheidungen besser auf den jeweiligen Patienten abzustimmen, da KI-Modelle in der Lage sind, individuelle Muster zu erkennen und Therapien entsprechend anzupassen. Auch die Prävention profitiert von dieser technologischen Entwicklung. KI kann helfen, Risikofaktoren frühzeitig zu identifizieren und Menschen mit einem erhöhten Diabetesrisiko gezielt zu unterstützen. Wearables und Smartwatches liefern kontinuierlich Daten, die durch KI analysiert werden können, um personalisierte Empfehlungen zur Lebensstiländerung zu geben. Dies ermöglicht eine frühzeitige Intervention und kann dazu beitragen, die Zahl der Diabetes-Neuerkrankungen zu senken.

Auch in der Diagnostik eröffnen KI-gestützte Systeme neue Möglichkeiten. Bildgebende Verfahren, die durch künstliche Intelligenz analysiert werden, erleichtern beispielsweise die Diagnose von diabetischer Retinopathie. Algorithmen sind in der Lage, Netzhautveränderungen mit hoher Präzision zu erkennen und eine frühzeitige Behandlung zu ermöglichen. Ebenso können KI-Systeme das Risiko für weitere diabetische Folgeerkrankungen wie Nephropathie, Neuropathie oder das diabetische Fußsyndrom berechnen, sodass frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden können.

Trotz der vielversprechenden Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz in der Diabetologie bietet, gibt es auch Herausforderungen und Risiken, die nicht unbeachtet bleiben dürfen. Datenschutz und Datensicherheit sind zentrale Themen, da für die Nutzung von KI große Mengen an sensiblen Gesundheitsdaten verarbeitet werden müssen. Die Speicherung und Analyse dieser Daten muss höchsten Sicherheitsstandards genügen, um Missbrauch zu verhindern. Auch die Transparenz von KI-Algorithmen ist ein wichtiger Punkt. Da viele KI-Modelle auf komplexen mathematischen Berechnungen basieren, ist es für medizinisches Fachpersonal oft schwierig nachzuvollziehen, wie eine KI zu einer bestimmten Entscheidung kommt. Dies wirft ethische Fragen auf, insbesondere wenn es um die Verantwortung für medizinische Entscheidungen geht. Die Akzeptanz von KI in der Diabetologie hängt zudem stark davon ab, inwieweit Ärzte und Patienten Vertrauen in die neuen Technologien haben. Es bedarf gezielter Schulungen und Aufklärungsmaßnahmen, um die Vorteile und Funktionsweisen von KI-basierten Systemen verständlich zu machen und deren Anwendung in der Praxis zu erleichtern.

Die Integration künstlicher Intelligenz in die Diabetologie wird die medizinische Versorgung in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Die Präzision und Effizienz von Diagnostik, Therapie und Prävention können durch den Einsatz intelligenter Algorithmen erheblich gesteigert werden. Entscheidend wird sein, eine verantwortungsbewusste Nutzung sicherzustellen, die nicht nur den technologischen Fortschritt vorantreibt, sondern auch den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die Balance zwischen Innovation, Datenschutz und ethischen Aspekten wird darüber entscheiden, inwieweit KI langfristig die Versorgung von Menschen mit Diabetes verbessert und zu einer echten Revolution in der Diabetologie wird.



Publication History

Article published online:
08 April 2025

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