Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2561-2159
Unterlippenrekonstruktion nach Teilamputation mit hyperspektraler Bildgebung zur Perfusionskontrolle
Lower lip reconstruction after partial amputation using hyperspectral imaging for perfusion control
Hintergrund
Bissverletzungen sind in Deutschland häufig und werden in 60–80% durch Hunde verursacht. Rund 2 Drittel der Hundebissverletzungen betreffen Kinder und Jugendliche, wobei kleinere Kinder aufgrund ihrer Körpergröße und ihres Interaktionsverhaltens besonders gefährdet sind. Verletzungen treten bei dieser Altersgruppe oft im Kopf-Hals-Bereich auf, wobei die Lippen aufgrund ihrer exponierten Lage besonders anfällig sind [Rothe K et al. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 433–443]. Hinzu kommt das hohe Infektionsrisiko durch Bissverletzungen [Daraei P et al. Am J Otolaryngol 2014; 35: 219–225]. Darüber hinaus können Gesichtsverletzungen erhebliche psychosoziale Auswirkungen haben [Levine E et al. Ann Plast Surg 2005; 54: 502–510]. Daher stellt die Rekonstruktion der Lippe nach Teilamputation eine chirurgische Herausforderung dar, da funktionelle und ästhetische Aspekte berücksichtigt werden müssen.
Defekte, die weniger als ein Drittel der Lippe betreffen, werden in der Regel durch einen primären Wundverschluss versorgt. Bei Defekten, die 1–2 Drittel der Lippe umfassen, kommen verschiedene rekonstruktive Verfahren zum Einsatz, darunter der beidseitige Verschiebelappen, der Abbé-Lappen, die Treppenplastik, der Karapandzic-Lappen oder der Estlander-Lappen [Owens WR et al. Semin Plast Surg 2024; 38: 304–320]. Umfangreichere Defekte, die mehr als 2 Drittel der Lippe betreffen, werden häufig mit Techniken wie dem Gillies-Lappen, die Bernard-Burrow-Webster-Plastik oder einer Kombination dieser Methoden rekonstruiert. Im Falle einer vollständigen Amputation der Lippe erfolgt die Rekonstruktion mittels regionär-gestielter oder freier Lappenplastiken. Die Auswahl des geeigneten Verfahrens hängt von den funktionellen und ästhetischen Anforderungen an den Defekt ab [Owens WR et al. Semin Plast Surg 2024; 38: 304–320]. Eine suffiziente Sauerstoffversorgung des Gewebes ist für den Erfolg jeder rekonstruktiven Maßnahme entscheidend. Trotz fortschreitender medizinischer und technischer Entwicklungen existiert derzeit keine Methode, die eine einheitliche, einfache, valide und gleichzeitig kostengünstige Bewertung der Gewebeperfusion ermöglicht [Fiedler LS, Daaloul H. J Biophotonics 2024; 17(05): e202400002].
Die Kutis besteht aus Epidermis und Dermis, unter denen sich Subkutis, Faszien und Muskulatur befinden. Die Epidermis schützt und pigmentiert, während die Dermis Blutgefäße, Nerven und Kollagenfasern enthält. Durch die enge Verzahnung beider Schichten über das Stratum papillare erfolgen Lappenmobilisierungen in der Subkutis. Zwei Gefäßgeflechte versorgen die Haut und regulieren die Temperatur. Größere Arterien verlaufen parallel zur Oberfläche und versorgen sie über vertikale Gefäße. Axiale Lappen werden durch subdermale Gefäße gespeist. Die Perfusion wird klinisch anhand von Hautfarbe, Rekapillarisierungszeit, Temperatur oder Hauturgor beurteilt. Ergänzend können Doppler-Ultraschall, Farbduplexsonografie, Temperatursonden, kontrastverstärkter Ultraschall, CT-Angiografie oder Nahinfrarot-Fluoreszenzangiografie eingesetzt werden, die jedoch teils invasiv sind und eine eingeschränkte Objektivierbarkeit haben [Fiedler LS, Daaloul H. J Biophotonics 2024; 17(05): e202400002].
Die Hyperspektralkamera (HSI) ermöglicht eine nichtinvasive und objektive Echtzeitdiagnostik der Gewebeoxygenierung, der Durchblutung und der Wasserverteilung. Sie analysiert das reflektierte Licht, wobei das Hämoglobin je nach Oxygenierung eine unterschiedliche Absorption zeigt. Sichtbares Licht dringt bis zu 0,5mm, Nahinfrarotlicht bis zu 5mm tief in das Gewebe ein und erlaubt Rückschlüsse auf die Mikrozirkulation. Die Ergebnisse werden als Falschfarbenbilder dargestellt, die Parameter wie oberflächliche Sauerstoffsättigung, tiefe Gewebedurchblutung sowie Hämoglobin- und Wassergehalt zeigen [Fiedler LS, Daaloul H. J Biophotonics 2024; 17(05): e202400002].
In diesem Fallbericht wird die Anwendung der HSI-Bildgebung zur Beurteilung der Unterlippenperfusion nach Teilamputation dargestellt.
Publication History
Received: 15 February 2025
Accepted: 14 March 2025
Article published online:
01 April 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany