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DOI: 10.1055/s-0028-1082607
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG
Ernährung bei Pankreaskarzinom
Bei Pankreaskrebspatienten ist es von entscheidender Bedeutung, warum es zum Gewichtsverlust kommt.Publication History
Publication Date:
02 October 2008 (online)
Internist mit Zusatzbezeichnung Gastroenterologie sowie Hämatologie und Internistische Onkologie, seit 1993 Oberarzt an der Klinik für Internistische Onkologie, Klinik für Tumorbiologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Leiter des Bereichs Ernährungsmedizin, Schwerpunktgebiete: Tumorkachexie, Antioxidanzien, gastrointestinale und neuroendokrine Tumoren, parenterale und heimparenterale Ernährung
DZO:
Welche Ernährungsempfehlungen sind für Patienten mit Pankreaskarzinomen, bei denen die Bauchspeicheldrüse entfernt wurde, wichtig?
Dr. Arends:
Nach einer teilweisen und ausgeprägter nach einer kompletten Entfernung der Bauchspeicheldrüse kommt es sowohl durch das Fehlen der exkretorischen Verdauungsenzyme als auch durch die häufig begleitende Umlagerung der Darmkontinuität (Gastroenterostomie, bilio-digestive Anastomose) zu Verdauungs- und Resorptionsstörungen. Zu empfehlen sind dann das Verteilen der Nahrung auf mindestens 6 kleinere Mahlzeiten über den ganzen Tag, das Wählen leicht verdaulicher und ballaststoffarmer Speisen sowie Zurückhaltung bei großen Fettmengen, hocherhitzten Fetten, Schlachtfetten sowie fetten Fleisch-, Molkerei- und Konditorwaren. Ebenfalls ungünstig sind eisgekühlte und kohlensäurehaltige Getränke, Kaffee und Alkohol. Die Kost sollte eiweiß- und kohlenhydratreich sein. Magermilchprodukte sind besonders gut verträglich. Zusätzlich sollten diese Maßnahmen ganz regelmäßig von einer ausreichend hoch dosierten Gabe eines Lipasepräparates begleitet werden, um die beeinträchtige Fettverdauung zu normalisieren und die Fettausscheidung mit dem Stuhl zu minimieren.
DZO:
Viele Patienten mit Pankreaskarzinom verlieren im Laufe ihrer Erkrankung stark an Gewicht. Wie kann man den Gewichtsverlust Ihrer Erfahrung nach effizient aufhalten?
Dr. Arends:
Zunächst ist es von entscheidender Bedeutung, aus welchem Grund es zum Gewichtsverlust kommt. Ist der Tumor operativ komplett beseitigt, so können postoperative Probleme und Entzündungsprozesse zum einen zu einer Inappetenz und Katabolie oder eine Malassimilation durch Veränderungen der Verdauungsphysiologie zu einer unzureichenden Energieaufnahme führen. Beide Störungen erfordern unterschiedliche, aber gezielte Behandlungsansätze: zum einen antibiotische oder sogar chirurgische Ansätze, zum anderen die oben beschriebenen Maßnahmen zur Verdauungsförderung. Ist der Tumor nicht oder nur teilweise reseziert oder ist es zu einem Rezidiv gekommen, so sind tumorwirksame Therapien zu erwägen; Maßnahmen zur Appetitsteigerung und Beratungen zur Kostanreicherung stehen dann im Vordergrund. In speziellen Fällen kann eine zusätzliche oder komplette künstliche intravenöse Ernährung vorübergehend oder auch längerfristig das Körpergewicht und die Kraftreserven erhalten, um antitumorale Therapien zu ermöglichen.
DZO:
Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach die Ernährung bei der Rezidivprophylaxe von Krebs?
Dr. Arends:
Die aktuell vorherrschende Sicht betont die überragende Bedeutung von Lebensstilfaktoren bei der Prävention von Tumorrezidiven. So ist das Rezidivrisiko für häufige Tumoren wie Brust- und Darmkrebs erheblich geringer bei Betroffenen, die sich täglich 30 – 60 min körperlich moderat belasten. Als pathophysiologische Deutung wird angenommen, dass im Rahmen einer sowohl durch Überernährung als auch durch Bewegungsmangel ausgelösten Insulinresistenz die Spiegel tumorfördernder Wachstumsfaktoren ansteigen. Körperliches Training bessert die Insulinempfindlichkeit der Gewebe und senkt zirkulierende mitogene Signale. Empfehlungen zur Förderung der körperlichen Aktivität sollten deshalb heute zur Basisberatung jedes Patienten nach Primärtherapie einer Tumorerkrankung gehören.
DZO:
Welche Ernährung empfehlen Sie Krebspatienten im Allgemeinen?
Dr. Arends:
Eine allgemeine Ernährung für Krebsbetroffene lässt sich nicht formulieren. Dies liegt an den ganz unterschiedlichen Ernährungsproblemen und -prioritäten, die sich durch die möglichen mechanischen oder metabolischen Auswirkungen des Tumors, durch die Tumortherapie oder im Verlaufe der Rekonvaleszenz ergeben. Das Körpergewicht sollte ab Diagnose einer Tumorerkrankung regelmäßig kontrolliert und ein Gewichtsverlust, wenn immer möglich, durch entsprechende Maßnahmen vermieden werden. Während einer Tumortherapie sollte zumindest für eine Mindestversorgung mit Energie und Nährstoffen gesorgt, aber die therapieinduzierten Belastungen des Magen-Darm-Trakts berücksichtigt werden. Tumorassoziierte Appetit- und Ernährungsstörungen erfordern besonders intensiven Beratungs- und ggf. Behandlungsaufwand. In der Nachsorge kommen vor allem Konzepte eines gesunden Lebensstils zum Tragen.
DZO:
Was halten Sie von der aktuell immer wieder in den Medien diskutierten „ketogenen Diät”?
Dr. Arends:
Warburg postulierte bereits in den 30er-Jahren, dass Tumoren glukoseabhängig wachsen. Das wurde lange belächelt. Heute zeigen jedoch aktuelle Untersuchungen in der Zellkultur genau dieses Verhalten bei besonders undifferenzierten Tumorzellen, die ihre Energie ausschließlich aus der Glukosevergärung gewinnen und bei Glukoseentzug absterben. Als Therapieansatz wurde seit Jahrzehnten wiederholt von selbsternannten Heilern eine nahezu glukosefreie Kost als Antitumordiät angepriesen. Um unter einer kohlenhydratarmen Kost nicht am Gewichtsverlust zu leiden, muss eine solche Ernährung isoenergetisch und deshalb eiweiß- und fettreich, also ketogen sein. Dennoch ist dieser Ansatz einer ketogenen Kost bisher nicht als gegen Tumorwachstum wirksam nachgewiesen. Dies liegt v. a. am Fehlen gut entworfener, konsequent durchgeführter Studien. Es ist jedoch gut möglich, dass es nicht praktikabel ist, die Blutglukose beim Menschen durch Ernährung auf ein solches Niveau abzusenken, dass es zu einer wirksamen Energieverarmung der Tumorzellen kommt. Letztlich werden wir hier aber auf das Ergebnis guter klinischer Studien warten müssen.
DZO:
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?
Dr. Arends:
Ich bevorzuge regelmäßig anstrengende und auch längere körperliche Aktivität, Wandern und Klettern, an frischer Luft; ich kann auf übermäßiges Essen verzichten, esse wenig Fleisch, aber gern Gemüse, Nüsse und Milchprodukte; abends ein Glas italienischen Rotwein beim anregenden Gespräch; ich habe enorme Freude an meiner Arbeit und an meinen Freizeitaktivitäten; ich habe Ziele, an denen ich mich messe; bin immer wieder neugierig auf das bisher für mich Unbekannte und ich genieße das Lernen.
DZO:
Herr Dr. Arends, vielen Dank für das Gespräch.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Jann Arends, Oberarzt
Klinik für internistische Onkologie
Klinik für
Tumorbiologie an der
Albrecht-Ludwigs-Universität Freiburg
Breisacherstr. 117
79106 Freiburg
URL: http://www.tumorbio.uni-freiburg.de