Psychiatr Prax 2008; 35(6): 306-307
DOI: 10.1055/s-0028-1086193
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Interdisziplinärer Arbeitskreis Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen

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Publication Date:
30 September 2008 (online)

 

Der "Interdisziplinäre Arbeitskreis Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen" hat seine Arbeit aufgenommen.

Bewegungstherapie wird bei psychischen Erkrankungen zumindest im stationären Rahmen nahezu überall eingesetzt. Akutkliniken für Psychiatrie und Psychotherapie nutzen diese Behandlungsform ebenso wie die Rehabilitationskliniken. Im ambulanten Sektor ist die Bewegungstherapie für psychisch Kranke dagegen noch wenig etabliert. Ausnahmen sind vereinzelte Rehabilitationssportgruppen in Vereinen oder große Physiotherapiepraxen, die am Rande gelegentlich ein bewegungstherapeutisches Angebot für psychisch Kranke vorhalten. Wie die anderen Therapieformen, die den soziotherapeutischen Maßnahmen in der Psychiatrie zugerechnet werden können, wie Ergotherapie, Musiktherapie oder Reittherapie, ist auch die Bewegungstherapie wenig beforscht. Die bestehenden Therapiekonzepte leiten sich im Wesentlichen aus der Erfahrung, z.T. auch aus theoretischen Konzepten ab, die in ihrer Wirksamkeit jedoch kaum überprüft sind. Eine Ausnahme bezüglich des Wirkungsnachweises bietet das Lauftraining bei depressiv Erkrankten. Hier sind ausreichend nationale und internationale Studien vorhanden.

Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen beschreibt zunächst keine einheitliche Therapieform. Je nach Tradition des einzelnen Hauses und nach Ausbildung/Qualifikation der jeweiligen MitarbeiterInnen werden ganz unterschiedliche bewegungstherapeutische Methoden mit recht verschiedenem theoretischen Hintergrund eingesetzt. Es finden sich unter den BewegungstherapeutInnen klassisch ausgebildete PhysiotherapeutInnen ebenso wie SportpädagogInnen und SportwissenschaftlerInnen, AbsolventInnen von Sport- und Gymnastikschulen ebenso wie TanztherapeutInnen. Die Zielsetzung von Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen ist abhängig vom Krankheitsbild, von der Akuität der Erkrankung und von den vor Ort für diese Therapie verfügbaren Ressourcen (sowohl Personal als auch räumliche Ausstattung differieren sehr stark).

Konzeptionelle Überlegungen werden häufig in den jeweiligen Fachgesellschaften, aus dem Blickwinkel der einzelnen Berufsgruppe oder Ausbildungsschule entwickelt, vielfach auch als "learning by doing" im klinischen Alltag.

Gegenüber Kostenträgern und Einrichtungsträgern ist die geschilderte Situation eine ungünstige Ausgangslage. Um den Stellenwert der Bewegungstherapie in der Psychiatrie zu stabilisieren, bestehende Konzepte weiterzuentwickeln und ggf. aufeinander abzustimmen und um nicht nur eine gemeinsame Sprache, sondern gemeinsame Grundsätze für die Behandlung der einzelnen Diagnosegruppen zu entwickeln, hat sich am 25.04.2008 ein Arbeitskreis zusammengefunden. Ausgegangen war die Initiative vom Zentrum für Psychiatrie, Münsterklinik Zwiefalten (von den dortigen BewegungstherapeutInnnen, der ärztlichen Leitung der Bewegungstherapie und der Krankenhausleitung). Nach einer rund einjährigen Vorbereitungsphase, während der zum einen alle BewegungstherapeutInnen, SportwissenschaftlerInnen und PsychiaterInnen angeschrieben wurden, die zum Thema veröffentlicht haben, eine Anfrage über die Bundesdirektorenkonferenz bundesweit gestreut wurde und weitere persönlichen Kontakte über verschiedene Fachgesellschaften hergestellt wurden, zeigten sich rund 30 Institutionen an einer Mitarbeit in einem entsprechenden Arbeitskreis interessiert. Vorab wurden ggf. bereits bestehende schriftliche Konzepte ausgetauscht, Veröffentlichungen der jeweiligen Teilnehmer zusammengestellt.

Am 25.04.2008 trafen sich dann 20 interessierte Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet, aus unterschiedlichsten Institutionen (SportwissenschaftlerInnen, SportpädagogInnen, TanztherapeutInnen, PsychotherapeutInnen, PsychologInnen, PsychiaterInnen, Vertreter von Krankenpflege und Verwaltung, Betreiber von Ausbildungsstätten usw.) zu einer ersten Arbeitstagung.

Nach Übersichtsreferaten zum Stand der Bewegungstherapie aus psychiatrischer Sicht (Prof. Dr. Längle, Südwürttembergische Zentren für Psychiatrie) und sportwissenschaftlicher Sicht (Prof. Dr. Hölter, Hochschule Dortmund) wurde anhand konkreter Konzepte der Bewegungstherapie vor Ort die Diskussion eröffnet. Im Verlauf der Tagung wurde der Arbeitskreis offiziell gegründet und unter dem Namen "Interdisziplinärer Arbeitskreis Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen" aus der Taufe gehoben.

Als Zielsetzung wurde übereinstimmend formuliert, dass in diesem Arbeitskreis, unabhängig von Verbandsinteressen oder berufsständischen Überlegungen, die inhaltliche Arbeit im Vordergrund stehen soll. Konzepte aus den verschiedenen Berufsbereichen werden in die Diskussion eingebracht, dann aber dem kritischen, interdisziplinären Diskurs unterzogen. Ziel ist primär, eine Plattform für den Austausch zu entwickeln, die Kenntnis der verschiedenen Konzeptionen zu fördern und, auf längere Sicht, über verschiedene Diagnosegruppen Leitlinien für die Behandlung psychisch Kranker im stationären, rehabilitativen und ambulanten Setting zu entwickeln.

Konkret trifft sich der Arbeitskreis einmal jährlich, die nächste Sitzung wird im April 2009 in Langen stattfinden. Bis dahin sind zwei neu gegründete Arbeitsgruppen tätig. Sie bearbeiten Konzepte für die Behandlung von PatientInnen mit Abhängigkeitserkrankungen (Arbeitsgruppe 1) sowie PatientInnen mit Schizophrenie (Arbeitsgruppe 2). In einem Jahr werden die Ergebnisse der beiden Arbeitsgruppen vorgelegt und diskutiert. Außerdem wird sich ein thematischer Schwerpunkt der nächsten Sitzung mit Qualitätsmanagement in der Bewegungstherapie befassen. In einem zweiten Schwerpunkt sollen die theoretischen Ansätze von Sportwissenschaft einerseits und Physiotherapie sowie körperorientierten Psychotherapieverfahren andererseits zur Darstellung kommen.

Der Arbeitskreis ist offen für weitere Mitglieder. Voraussetzung ist das Interesse an einer verbindlichen Mitarbeit im Arbeitskreis und die Unterstützung des jeweiligen Trägers für die Wahrnehmung der damit verbundenen Termine. Strukturell wird die laufende Arbeit in Arbeitsgruppen stattfinden. Diese werden anteilig als Telefonkonferenzen durchgeführt, um den Reiseaufwand zu minimieren. Die einmal jährliche Tagung im April wird in der Regel mit An- und Abreise zwei Tage umfassen und der vertieften fachlichen Diskussion dienen.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an folgende Kontaktadressen:

Email: Daniela.Croissant@zfp-zwiefalten.de

Email: Manfred.Schneck@zfp-zwiefalten.de

Email: Ulrich.Dautel@zfp-zwiefalten.de

oder an das Sekretariat der Klinikleitung Tel.: 07373/10-3232.

Gerhard Längle, Zwiefalten

Email: Gerhard.laengle@zfp-zwiefalten.de