Psychother Psychosom Med Psychol 2009; 59(3/04): 158
DOI: 10.1055/s-0028-1090225
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Internetbasierte Psychotherapie

Internet-Based PsychotherapyFritz  Hohagen1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
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Publication Date:
03 April 2009 (online)

Prof. Dr. Fritz Hohagen

Das Internet ist alltäglich geworden – mit all seinen auch negativen Folgen, wie z. B. dem pathologischen Internetgebrauch. Mithilfe des Internets kann man schnell und einfach Informationen einholen und miteinander kommunizieren. Somit sollte es auch für die Gestaltung psychotherapeutischer Kontakte nutzbar sein. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Sie reichen von im Netz frei zugänglichen und anonym anzuwendenden Selbsttests zur Alkohol- oder Depressionsgefährdung, über gruppentherapeutische Maßnahmen mittels Internet-Chat [1] bis zur Psychotherapie via E-Mail.

Seit den 90er-Jahren wurden für verschiedene Störungsbilder internetbasierte Therapieangebote entwickelt. Mittlerweile stehen differenzierte und evaluierte Programme vor allem aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie für den potenziellen Transfer in die Versorgung zur Verfügung. Die neuen Therapieansätze scheinen bei der Behandlung von Angststörungen ebenso wirksam zu sein wie bei der Behandlung von Depressionen leichten bis mittleren Schweregrades [2] [3].

Doch der Verbreitung dieser Ansätze stehen Hemmnisse gegenüber, denn die Fernbehandlung von Patienten nur mithilfe des Internets ist hierzulande außerhalb wissenschaftlicher Modellprojekte nicht gestattet. Anders z. B. in den Niederlanden, wo ein ausschließlich online durchgeführtes Programm zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen („Interapy”) von den Krankenkassen bezahlt wird [4]. Auch gibt es Vorbehalte auf Nutzer- und Anbieterseite, die besonders dann stark ausgeprägt sein dürften, wenn die therapeutische Beziehung als wirksames Agens betont wird. Studien konnten jedoch zeigen, dass es auch in internetbasierten Psychotherapien möglich ist, eine gute therapeutische Beziehung aufzubauen und dass die Qualität dieser Beziehung auch den Behandlungserfolg beeinflusst [5].

Psychotherapien via Internet stellen zumindest potenziell ein kosteneffektives Vorgehen dar, um einer größeren Anzahl von Patienten als bisher wirksame psychotherapeutische Behandlung zukommen zu lassen. Die relative Anonymität und Niedrigschwelligkeit dieses Settings mag besonders für solche Patienten attraktiv sein, die sich herkömmlichen Therapien z. B. aus Scham oder aus praktischen Gründen eher verweigern würden. Hierin liegt eine Chance, neuen Zielgruppen den Zugang zur Psychotherapie zu erschließen.

Internetbasierte Psychotherapien gefährden die traditionellen Formen etablierten psychotherapeutischen Arbeitens im Prinzip nicht und stellen keine Konkurrenz dar, sondern können das traditionelle Psychotherapie-Setting sinnvoll bereichern, bislang schwer zu erreichenden Patientengruppen Zugang zu Psychotherapie verschaffen und weniger schwer gestörten Patienten eine mögliche Alternative zum traditionellen Psychotherapie-Setting bieten. Internetbasierte Psychotherapien werden sich jedoch – unterstützt durch intensive Begleitforschung – ihren Stellenwert innerhalb der Psychotherapielandschaft erst noch erarbeiten müssen.

Die PPmP greift in diesem Heft diese wichtige Entwicklung in der psychosozialen Versorgung mit dem CME-Beitrag von Berger und Andersson zum Thema internetbasierte Psychotherapie auf. Die Autoren fassen in übersichtlicher Form den diesbezüglichen Stand des Wissens zusammen, stellen deren klinische Wirksamkeit und den Stand der Evaluationsforschung dar und diskutieren Vor- und Nachteile. Die PPmP wird die weiteren Fortschritte auf diesem Gebiet aufmerksam verfolgen.

Literatur

  • 1 Haug S, Strauß B, Kordy H. Neue Medien – neue Möglichkeiten in der Psychotherapie-Prozessforschung: Feedback von textbasierten Prozessvariablen in Internet-Chatgruppen.  Psychother Psych Med. 2007;  57 311-318
  • 2 Barak A, Hen L, Boniel-Nissim M. et al . A Comprehensive Review and a Meta-Analysis of the Effectiveness of Internet-Based Psychotherapeutic Interventions.  Journal of Technology in Human Services. 2008;  26 (2 / 4) 109-160
  • 3 Spek V, Cuijpers P, Nyklícek I. et al . Internet-based cognitive behaviour therapy for symptoms of depression and anxiety: A meta-analysis.  Psychological Medicine. 2007;  37 319-328
  • 4 Lange A, van den Ven J-P, Schrieken B. Interapy: Treatment of post-traumatic stress through the Internet.  Cognitive Behavior Therapy. 2003;  32 110-124
  • 5 Berger T, Andersson G. Internetbasierte Psychotherapien: Besonderheiten und empirische Evidenz.  Psychother Psych Med. 2009;  59 159-170

Prof. Dr. Fritz Hohagen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

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