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DOI: 10.1055/s-0028-1093313
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Voll daneben
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
01. Oktober 2008 (online)
Verbraucherschutz ist ein wichtiges Anliegen. Das gilt besonders in einer Gesellschaft, die möglichst viel den Kräften des Marktes überlassen will. Verbraucherschutz ist dazu da, den Konsumenten vor wirtschaftlichen oder auch vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren. Er vergleicht Produkte, bewertet sie, greift Missstände auf und macht unsauberes Verhalten öffentlich. Auch der Bundesgerichtshof hat in vielen Urteilen die Rechte des Konsumenten gestärkt. Kürzlich musste er über eine Klage des Verbraucherschutzes befinden, die per se die Stirn jedes verantwortlichen Zahnmediziners oder Ernährungsberaters runzeln lässt.
Es ging um eine Werbeaktion für Süßigkeiten, die vor allem von Kindern gern gekauft werden. Auf jedem Schokoriegel befand sich ein Sammelpunkt. Wer genügend Punkte beisammen hatte, erhielt einen Gutschein über 5 Euro. Die Verbraucherschützer stellten fest, dass so eine Sammelaktion zum Kauf verleiten könne. Das war ja wohl auch der Sinn der Sache. Der Verbraucherschutz klagte gegen den Konzern. Jeder Mediziner oder Ernährungswissenschaftler nickt bis zu diesem Satz der Pressemeldung zustimmend, doch die Klage hatte eine ganz andere Zielrichtung als vielleicht gedacht: Der Verbraucherschutz meinte, der betreffende Konzern nutze mit dieser Aktion die geschäftliche Unerfahrenheit der jungen Zielgruppe aus, und verleite so zu unüberlegtem wirtschaftlichem Handel, also Kauf eines Schokoriegels. – Jetzt runzelt sich die Stirn – Die Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass Kinder bei Schokoriegeln über „ausreichende Marktkenntnisse” verfügen und daher die wirtschaftlichen Folgen so einer Sammelaktion überblicken werden.
Seit Jahren(zehnten) versuchen Mediziner, Zahnmediziner und Ernährungswissenschaftler die Bevölkerung in bewusster Ernährung zu unterstützen. Wir warnen vor zu viel Zucker, Fast Food und Fett. Wir bieten Prophylaxe rund um fast jeden Körperteil, um ihn gesund zu erhalten. Wir klären die Gesellschaft (auch die Industrie gehört hierzu) über die unter anderem kariogen Folgen von Süßigkeiten in jeglicher Form auf und was geschieht? Der Verbraucherschutz klagt nicht etwa gegen das Verleiten zum Verbrauch von mehr Schokoriegeln mit den bekannten gesundheitlichen Folgen durch so eine Sammelaktion, sondern gegen einen wirtschaftlichen Engpass im Portemonnaie der jungen Zielgruppe durch vielleicht 90 Cent.
Interessant wäre es gewesen, zu erfahren, ob die Sammelaktion überhaupt den gewünschten Effekt gehabt hat, also Mehrkauf der Riegel. Punkte sammeln ist halt sehr verlockend. Das hat der Markt gut beobachtet. Verbraucherschutz ist daher eine gute Sache, aber in diesem Fall lag er voll daneben.