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DOI: 10.1055/s-0028-1103149
Hätten Sie’s gewusst – Warum machen Klausuren krank?
Publication History
Publication Date:
28 November 2008 (online)
Wer kennt das nicht: Die Prüfung und der Stress sind vorbei, die Urlaubsvorbereitungen getroffen. Und dann das: Die Nase läuft und man liegt mit hohem Fieber im Bett. Wir fragten Prof. Dr. Manfred Schedlowski, Professor für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Uniklinikum Essen:
Warum wird man in Prüfungsphasen leicht krank?
Prof. Schedlowski: Der Stress vor Prüfungen wirkt auf zwei Hormonachsen, die unsere Abwehr beeinflussen: das Glukokortikoidsystem mit dem Stresshormon Cortisol und das sympathische Nervensystem mit den Katecholaminen Adrenalin und Noradrenalin. Bei akutem Stress unmittelbar vor Prüfungen werden Katecholamine ausgeschüttet, die die zelluläre, unspezifische Immunabwehr aktivieren und so kurzfristig sogar davor schützen, krank zu werden. Bei Dauerstress in langen Lernphasen ist das anders. Wenn Katecholamine und Cortisol längere Zeit ausgeschüttet werden, supprimieren sie das spezifische Immunsystem. Wenn Menschen erst krank werden, wenn der ganze Stress eigentlich schon vorbei ist, liegt das an einem Rebound-Effekt. Dieser beruht möglicherweise darauf, dass die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren auf den Immunzellen durch die dauerhaft hohen Katecholaminspiegel herunterreguliert sind. Nach der Prüfung fallen die Hormonspiegel und die Immunzellen werden schlagartig weniger stimuliert. Das macht uns anfälliger für Erkältungen.
Was kann man tun, um gesund zu bleiben?
Prof. Schedlowski: Unter Stress ändern Menschen häufig ihr Verhalten. Sie schlafen weniger, nehmen vermehrt Stimulanzien, wie Kaffee zu sich, ernähren sich ungesünder und treiben weniger Sport. Manche versuchen sogar Ihre Ängste in Alkohol zu ertränken oder fangen an zu rauchen. Dabei sollte man gerade die Dinge, die man auch in Stresssituationen selbst in der Hand hat, diszipliniert kontrollieren. Gegen Versagensängste hilft oft folgendes Rezept: Bannen Sie die Hirngespinste auf Papier und überprüfen Sie sie auf ihren Realitätsgehalt! Die meisten Ängste sind unbegründet. Man kann nicht alles wissen und Prüfer sind auch nur Menschen. Lassen Sie sich nur nicht aus der Ruhe bringen!
Was bringen alternative Hilfsmittel wie Baldrian oder Echinazea?
Prof. Schedlowski: Mit Entspannungsübungen kann man seine Seele sehr gut im Gleichgewicht halten. Dabei ist es egal, ob man sich für Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Yoga oder andere Verfahren entscheidet. Auch gegen Echinazin oder Beruhigungstee ist nichts einzuwenden, sofern sie einem persönlich helfen. In der Medizin gilt nach wie vor der Spruch: „Wer heilt, hat recht.”
Und warum muss man vor der Prüfung ständig auf Toilette, wenn doch der Sympathikus in dieser Zeit besonders aktiv ist?
Prof. Schedlowski: Die Blasenmuskulatur wird durch ein kompliziertes, nervales System gesteuert, an dem nicht nur das autonome Nervensystem, sondern auch der Hypothalamus beteiligt ist. In akuten Stresssituationen lässt der Sympathikus den M. sphincter urethrae zwar kontrahieren, allerdings kann er vom Hypothalamus übersteuert werden. Daher kommt es zu der parasympathisch anmutenden Reaktion, in der sich der Blasenschließmuskel öffnet und man aufs Klo muss.
Grübeln Sie über einer Frage, die sich mit keinem Lehrbuch beantworten lässt? Schicken Sie uns Ihre Frage an: via.medici@thieme.de. Die interessantesten Fragen werden hier beantwortet.