Psychiatr Prax 2008; 35(8): 406-407
DOI: 10.1055/s-0028-1104633
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Wer macht was im psychiatrischen Krankenhaus? Ein Vorschlag zur effizienten Aufgabenverteilung durch eine gestärkte psychiatrische Fachpflege

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Publikationsdatum:
18. November 2008 (online)

 

Zur Ausgangslage

Die Umsetzung einer leitliniengerechten Therapie im Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie sieht bei praktisch allen psychischen Krankheitsbildern psychoedukative und psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen vor [1]. Für die langfristige Therapie sind darüber hinaus Angehörigenschulungen vorgesehen, die einen wesentlichen Beitrag zur Informationsvermittlung und Entstigmatisierung leisten. In der Regel werden diese Therapiebestandteile durch psychologische und/oder ärztliche Mitarbeiter durchgeführt. Unter den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen mit zunehmender Dokumentationspflicht, Erhöhung des Anteils chronisch kranker und komorbider Patienten, Budgetierung mit schleichendem Personalabbau sowie abnehmender Attraktivität des Fachgebiets [2] mit der Folge von Nachwuchskräftemangel stellt sich die Frage, welche Berufsgruppen in Zukunft diese Aufgaben durchführen.

Eine mögliche Lösung des Problems liegt in der Neuordnung und Umverteilung von therapeutischen Aufgaben. Hierzu muss im ersten Schritt überprüft werden, welche therapeutischen Aufgaben anfallen und inwieweit die vorgehaltenen Angebote delegierbar sind. Eine wichtige Einschränkung ergibt sich hierbei aus dem sog. Arztvorbehalt, der den Rahmen festlegt, innerhalb dessen eine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung eines Arztes besteht [3]. Der Arztvorbehalt gilt zwar in erster Linie für den ambulanten Bereich, betrifft allerdings auch den stationären Bereich (beispielsweise bei wahlärztlichen Leistungen).

Psychotherapie gehört generell zu den "nicht delegationsfähigen Leistungen", mit Ausnahme der Delegation an qualifiziert weitergebildete Diplompsychologen [3]. Psychoedukative Angebote und Angehörigengruppen werden hingegen nicht unter den "nicht delegationsfähigen Leistungen" subsumiert und könnten mithin durch andere Berufsgruppen als durch Ärzte durchgeführt werden, beispielsweise durch Pflegekräfte, Sozialpädagogen oder durch Psychologen. Allerdings besteht auch in diesem Fall die Verpflichtung zu überprüfen, ob die Delegation mit den medizinischen Erfordernissen zu vereinbaren ist. Neben der Kenntnis des Krankheitsbildes ist vor allem die Qualifikation der Mitarbeiter entscheidend. Folgerichtig bedeutet das, dass therapeutische Angebote wie Psychoedukation oder Angehörigengruppen erst dann delegierbar sind, wenn das durchführende Personal entsprechend qualifiziert wurde und der behandelnde Arzt (oder Bereichsleiter) regelmäßig die Qualität des therapeutischen Angebots überprüft.

Unter den genannten Voraussetzungen können Qualifikationsprofile erstellt werden, die die nicht ärztlichen Mitarbeiter zur Durchführung von medizinischen Leistungen berechtigen. Die bisherige generelle Trennung in ärztliche, psychologische und pflegerische Aufgaben gilt es dabei kritisch zu hinterfragen.

Die Aufgaben der in der psychiatrischen Krankenpflege Tätigen erfahren derzeit einen Wandel. Vielerorts werden durch Mitarbeiter der Pflege psychoedukative Gruppentrainings zum Bewegungs- und Ernährungsmanagement durchgeführt, eine Folge der stärkeren Bewusstheit für metabolische Störungen bei psychisch Kranken. Darüber hinaus leisten die Pflegeteams in der Praxis häufig die therapeutische Kontinuität. Vor diesem Hintergrund ist es eine interessante Option, wenn psychoedukative Gruppen und Angehörigentrainings durch entsprechend ausgebildete Pflegemitarbeiter durchgeführt werden. Die Vorteile dieses Vorgehens liegen auf der Hand. Hierzu zählen ökonomische Vorteile, die Stärkung des multiprofessionellen Teams, die an die Konzeptentwicklung gekoppelte Teamentwicklung, die Erhöhung der Therapiezeiten für Patienten u.a. (Tab. [1]). Allerdings gibt es dieses Modell nicht zum Nulltarif. Für entsprechende Fort- und Weiterbildungen des Personals sind Kosten zu veranschlagen, Qualitätskontrollen und Supervisionen setzen entsprechend geschultes Leitungspersonal voraus (soweit diese Leistungen nicht ebenfalls eingekauft werden).

Tab.1 Gegenüberstellung von konservativer und störungsorientierter Krankenpflege in der Psychiatrie und Psychotherapie.

Literatur

  • 01 Voderholzer U, Hohagen F (Hrsg). Therapie psychischer Erkrankungen: State of the Art 2007/2008 (3.Aufl.). München: Urban & Fischer, 2007. 
  • 02 Tamaskar P . McGinnis RA . Declining student interest in psychiatry.  JAMA. 2002;  287 1859
  • 03 Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.  Dtsch Ärztebl. 1988;  85 A2604-2605