Dialyse aktuell 2008; 12(8): 459
DOI: 10.1055/s-0028-1105991
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Von der Innovation zum Alltag ...

Stephanie Schikora
Further Information

Publication History

Publication Date:
28 November 2008 (online)

Mal ganz ehrlich: Können Sie sich noch vorstellen, ohne Internet oder Mobiltelefon auszukommen? Tatsächlich ist es den meisten Menschen inzwischen lieb gewonnene Gewohnheit geworden, noch schnell eine Datei per E–Mail zu verschicken oder geschäftliche und private Anrufe – oft zur großen Freude ihrer Mitmenschen – von „unterwegs” zu erledigen. An (technische) Innovationen gewöhnt man sich eben schnell.

Wie schnell der Fortschritt auch in der Nephrologie und vor allem der Dialyse Einzug gehalten hat, hat mir ein Vortrag eines Dialysepatienten auf dem diesjährigen Symposium der Arbeitsgemeinschaft für nephrologisches Personal in Fulda deutlich vor Augen geführt, der über seine Erfahrungen in 38 Jahren an der Dialyse berichtete. Im Jahr 1970 erhielt der damals 14–jährige Patient seine erste lebensnotwendige Dialysebehandlung an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg – eines von nur 3 Kinderdialysezentren, die zu dieser Zeit europaweit überhaupt bestanden. Die Bilder von damals waren sehr eindrucksvoll, angefangen bei einer inzwischen sehr altertümlich erscheinenden Spulendialysemaschine bis hin zum ersten Scribnershunt. Im Laufe der Zeit wurden die Dialysemaschinen sichtlich moderner, und seit inzwischen gut 20 Jahren führt der heute 52–Jährige eine Heimhämodialysebehandlung durch. Heute kann der Patient eine eindrucksvolle Bilanz ziehen: Seit 1970 hat er für die zirka 5 900 Dialysen fast 3 Jahre und 5 Monate seines Lebens an der Dialysemaschine verbracht.

Von Komplikationen während der Dialysebehandlung hat der Patient übrigens fast nichts berichtet – ein Hinweis, wie positiv die Erfahrungen des Patienten sind. Dass allerdings in dieser langen Zeit tatsächlich nie Probleme aufgetreten sind, ist wohl eher unwahrscheinlich. In Ihrem Praxisalltag werden Sie auch mehr oder weniger oft mit mehr oder weniger unangenehmen Unverträglichkeitserscheinungen konfrontiert, auf die Sie kompetent und schnell reagieren müssen. Eine der unangenehmsten Komplikationen, die dialyseassoziierte Hypotonie, die nicht nur das Wohlbefinden des Patienten empfindlich beeinträchtigt, sondern auch ein unabhängiger Einflussfaktor auf die 2–Jahres–Mortalität an der Dialyse ist, greifen wir in diesem Heft auf.

Vermeiden lässt sich ein solcher akuter Blutdruckabfall beispielsweise durch einen adäquaten Volumenentzug (Reevaluation des sogenannten Trockengewichts), die Vermeidung einer zu großen Gewichtszunahme zwischen den Dialysen oder die Verwendung individueller Natriumprofile oder niedriger Dialysattemperaturen. Akut erfordert eine hypotensive Episode unter anderem eine adäquate Lagerung des Patienten, die Unterbrechung der Ultrafiltration, eine Volumen– und Sauerstoffgabe sowie Modifikationen der Dialysatzusammensetzung.

Um die kardiovaskuläre Stabilität an der Dialyse zu erhalten, sind also eine feine Abstimmung und viel Erfahrung vonnöten. Inzwischen gibt es jedoch Monitoringsysteme, die mithilfe von Bluttemperatur– und Blutvolumenmonitoring oder der blutdruckgeführten Hämodialysebehandlung eine deutliche Erleichterung für den „Dialysealltag” und eine Entlastung von monotonen Überwachungsaufgaben versprechen. Ob solche Entwicklungen jedoch eher „Hilfsmittel” oder „Spielzeug” sind, lässt sich derzeit noch nicht endgültig beantworten. Sinn macht ihr Einsatz aber nur, wenn sich tatsächlich entscheidende Verbesserungen für Patienten, Pflegepersonal und Ärzte ergeben. Doch sicher ist: Wenn sich diese „intelligenten” Systeme etablieren, werden sie – wie so viele andere technische Weiterentwicklungen – bald aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken sein.

Stephanie Schikora

Stuttgart