Zusammenfassung
Die Funktion der Speiseröhre wurde mittels quantitativer intraluminaler Druckmessungen bei 68 Diabetikern mit und ohne Komplikationen und bei einer Kontrollgruppe von 48 gesunden Erwachsenen untersucht. Bei allen Diabetikern konnten Störungen im Bereich der distalen, mit glatter Muskulatur ausgestatteten Speiseröhre nachgewiesen werden, deren Ausmaß bei gleichzeitiger Polyneuropathie zunahm. Bei Patienten ohne periphere Neuropathie war nach Schluckakten die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der peristaltischen Kontraktionen des Speiseröhrenkörpers verringert, der Beginn der reflektorischen Erschlaffung des gastro-ösophagealen Sphinkters verzögert und die Dauer dieser Erschlaffung verlängert. Das wird als eine dem Diabetes eigene, hochgradig selektive viszerale Neuropathie des vagalen nicht adrenergischen inhibitorischen Systems gedeutet. Bei Diabetikern mit manifester peripherer Neuropathie nahmen diese Störungen zu. Außerdem wurden bei ihnen eine Verringerung der Kraft der peristaltischen Kontraktionen der Speiseröhre nach Schluckakten und eine verminderte Verschlußkraft des gastro-ösophagealen Sphinkters im Ruhezustand festgestellt. Der peristaltische Verlauf der Kontraktionen des Speiseröhrenkörpers nach Schluckakten und die Fähigkeit des gastro-ösophagealen Sphinkters, überschüssig mit einem Druckanstieg auf Erhöhung des Bauchinnendruckes zu reagieren, blieben jedoch erhalten. Das wird als eine weitere selektive Störung vagaler Steuerungsmechanismen der Speiseröhrenfunktion angesehen. Bei Patienten mit einer Neuro-Gastroenteropathie kommt eine tiefere Störung der Ösophagusperistaltik hinzu. Die beschriebenen Veränderungen verursachen keine Symptome. Sie sind unabhängig von anderen, insbesondere vaskulären Komplikationen. Diese Art der Störung der Speiseröhrentätigkeit ist bislang bei keiner anderen Krankheit dieses Organs beschrieben worden und kann somit als charakteristisch für den Diabetes mellitus angesehen werden.
Summary
Oesophageal function was investigated by means of quantitative intraluminal pressure measurements in 68 diabetics with and without complications, and in a control group of 48 healthy adults. In all diabetics disorders could be demonstrated in the distal smooth-muscled part of the oesophagus, the severity of which was increased when a polyneuropathy was also present. In patients without a peripheral neuropathy after swallowing the speed of the progression of the peristaltic contraction of the body of the oesophagus was reduced, the onset of relaxation of the gastro-oesophageal sphincter was delayed and the duration of this relaxation was prolonged. In diabetics with manifest peripheral neuropathy these disturbances were increased. In addition in these patients a reduction in strength of the peristaltic contraction of the oesophagus after swallowing and a reduced closing power of the gastro-oesophageal sphincter at rest could be demonstrated. The peristaltic wave of contraction of the body of the oesophagus after swallowing and the ability of the gastro-oesophageal sphincter to react against an increase in intra-abdominal pressure with an exaggerated rise in pressure however remained intact. The changes described do not cause any symptoms. This type of disturbance of oesophageal function has not yet been described in any other form of oesophageal disease and can thus be taken to be characteristic for diabetes mellitus.