Fortschr Neurol Psychiatr 2009; 77(7): 375
DOI: 10.1055/s-0028-1109518
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Depression und Demenz – eine Beziehung mit vielen Facetten

Depression and Dementia – a Multifaceted RelationC.-W. Wallesch1
  • 1BDH-Klinik Elzach
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Publication Date:
06 July 2009 (online)

Dass die Differenzialdiagnose zwischen Depression und Demenz bei kognitivem Leistungsversagen älterer Menschen eine wichtige und verantwortungsvolle darstellt, ist seit Jahrzehnten bekannt. Zu Zeiten der Facharztweiterbildung des Autors, also vor knapp 30 Jahren, wurden pragmatische Lösungsansätze für die Differenzialdiagnostik propagiert, wie z. B. die Beobachtung der Auswirkungen von Schlafentzug oder einer Serie von Antidepressiva-Infusionen. Die Annahme einer Dichotomie, dass ein Patient in der Regel an der einen oder der anderen Erkrankung leide, musste in den 90er-Jahren aufgegeben werden, als die Depression im Alter als Risikofaktor oder Vorpostensymptom einer Demenz erkannt wurde [1]. Im Weiteren wurde deutlich, dass die Depression eine der häufigsten Komorbiditäten der Alzheimer-Demenz (AD) ist [2] und dass depressive Patienten einen deutlich ungünstigeren Verlauf nehmen. Auch bei vaskulärer Demenz [3] und Morbus Parkinson [4] ist eine komorbide Depression sehr häufig. Trotzdem ist die Depression bei Demenz weiterhin unterdiagnostiziert und -behandelt [5]. Während die Depression bei AD ein häufiges Frühsymptom darstellt [6], ist dies bei den frontotemporalen Lobaratrophien nicht der Fall [7]. Nach erfolgreicher Behandlung einer Depression im Alter verbleiben bei nahezu der Hälfte der Betroffenen kognitive Defizite, bei zwei Fünfteln eine leichte kognitive Störung (MCI – [8]).

Beruhen Depression im Alter und AD auf derselben pathophysiologischen Grundlage oder ist die eine Erkrankung kausal an der Entstehung der anderen beteiligt? Den aktuellen Kenntnisstand zu dieser Frage stellt eine Übersichtsarbeit im vorliegenden Heft der Fortschritte dar [9]. Dabei werden teilweise überraschende Befunde und Hypothesen präsentiert. So findet sich bei Depression eine Hippokampusatrophie und es wird vermutet, dass die Glukokortikoid-Kaskade bei Depression den Hippokampus schädigen könnte. Es bleibt bislang offen, ob die Hippokampusatrophie Ursache oder Folge depressiver Störungen ist [10]. Auch für eine Psychogenese der Depression als Reaktion auf den kognitiven Abbau finden sich Hinweise.

Die Arbeit, die den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Baustelle beschreibt, gibt einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand und wird das Interesse vieler Leser aus Klinik, Praxis und Wissenschaft finden.

Literatur

  • 1 Alexopoulos G S, Meyers B S, Young R C. et al . The course of geriatric depression with „reversible dementia”: a controlled study.  Am J Psychiatry. 1993;  150 1693-1699
  • 2 Seidl U, Lueken U, Völker L. et al . Nicht-kognitive Symptome und psychopharmakologische Behandlung bei demenzkranken Heimbewohnern.  Fortschr Neurol Psychiat. 2007;  75 720-727
  • 3 Cummings J L. Vascular subcortical dementia: clinical aspects.  Dementia. 1994;  5 177-180
  • 4 Storch A, Ebersbach G, Fuchs G. et al . Depression beim idiopathischen Parkinson-Syndrom. Teil 1: Epidemiologie, Pathophysiologie, Klinik und Diagnostik.  Fortschr Neurol Psychiat. 2008;  76 715-724
  • 5 Starkstein S E, Mizrahi R, Power B D. Depression in Alzheimer’s disease: phenomenology, clinical correlates and treatment.  Int Rev Psychiatry. 2008;  20 382-388
  • 6 Edwards E R, Spira A P, Barnes D E. et al . Neuropsychiatric symptoms in mild cognitive impairment: differences by subtype and progression to dementia.  Int J Geriatr Psychiatry. 2009;  Jan 12 epub ahead of print
  • 7 Diehl-Schmid J, Pohl C, Perneczky R. et al . Frühsymptome, Überlebenszeit und Todesursachen – Beobachtungen an 115 Patienten mit Demenz auf der Grundlage frontotemporaler lobärer Degenerationen.  Fortschr Neurol Psychiat. 2007;  75 708-713
  • 8 Bhalia R K, Butters M A, Becker J T. et al . Patterns of mild cognitive impairment after treatment of depression in the elderly.  Am J Geriatr Psychiatry. 2009;  17 308-316
  • 9 Preuss U W, Siafarikas N, Petrucci M. et al . Depressive Störungen bei Demenzen und milder kognitiver Beeinträchtigung: Komorbidität, Ursache oder Risikofaktor.  Fortschr Neurol Psychiat. 2009;  in diesem Heft
  • 10 Jorm J F. Is depression a risk factor for dementia or cognitive decline? A review.  Gerontology. 2000;  46 219-227

Prof. Dr. med. Claus-Werner Wallesch

Neurologische Klinik, BDH-Klinik Elzach

Am Tannwald 1

79215 Elzach

Email: claus.wallesch@neuroklinik-elzach.de