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DOI: 10.1055/s-0028-1109996
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Tumoren der Iris – eine besondere Herausforderung für den Augenarzt
Tumours of the Iris – A Challenge to the OphthalmologistPublication History
Publication Date:
20 May 2010 (online)
Die Tumoren der Regenbogenhaut stellen für den Augenarzt eine besondere Herausforderung dar. Sie sind – abgesehen von Irisnävi sowie pigmentepithelialen Zysten der Iris – insgesamt selten bis sehr selten, sodass selbst größere Zentren oft nur eingeschränkte Erfahrungen besitzen. Auch wenn die Zahl voneinander differenzierbarer Neubildungen an der Iris verglichen z. B. mit den Neoplasien der Bindehaut und erst Recht mit jenen der Lider klein, die Irispathologie an sich also „relativ übersichtlich” ist, so erlaubt der klinische Aspekt in vielen Fällen lediglich eine Verdachtsdiagnose. Fluoreszeinangiografie, Computer- oder Magnetresonanztomografie helfen diagnostisch zumeist nicht weiter. Am ehesten ist noch die Ultraschallbiomikroskopie (UBM) geeignet, zur Abklärung beizutragen, da sie eine Unterscheidung zwischen soliden und zystischen Prozessen erlaubt und gewisse Hinweise auf das Wachstumsverhalten geben kann. Die Biopsie der Iris ist erheblich anspruchsvoller und komplikationsträchtiger, als das bei extraokularen Prozessen der Fall ist. Selbst wenn das Gewebe vorliegt, ist es für den (Ophthalmo-)Pathologen zudem nicht immer ganz einfach, den Prozess zu klassifizieren und – z. B. bei den melanozytären Irisneoplasien – zwischen „benigne” und „maligne” zu differenzieren [1]. Und so kommt es gerade bei den Neubildungen der Iris auf eine sehr enge Synopsis von klinischem und pathohistologischem Befund an, welche idealerweise durch ein an der Klinik angesiedeltes ophthalmopathologisches Labor hergestellt wird [2] [3].
Ein Vorteil der Iristumoren ist andererseits, dass sie in aller Regel gut sicht- und damit fotografierbar sind, und dass Verläufe mit schnellem Wachstum über wenige Wochen die (große) Ausnahme sind, sodass das „abwartende Beobachten” in der Mehrzahl der frisch diagnostizierten Fälle die „Therapie” der Wahl ist. Interessant ist, dass in der Regenbogenhaut melanozytäre und epitheliale „Zeitbomben” vorkommen, die aus bisher ungeklärten Gründen u. U. erst nach Jahrzehnten Anlass zu einer malignen Transformation [4] oder – z. B. bei der posttraumatischen Epithelinvasion [5] oder eben auch bei den primären Epithelzysten der Regenbogenhaut [6] – zu einem Wachstum geben können.
Spätestens bei dokumentierter Progression oder tumorinduzierter Symptomatik wie rezidivierender Vorderkammerblutung, „Pseudo-Uveitis”, Glaukom oder Funktionsverlust ist ein chirurgisches Vorgehen in Erwägung zu ziehen. Dabei ist der Ausbreitungsgrad der Neoplasie präoperativ genau durch Spaltlampenmikroskopie, Gonioskopie, evtl. Diaphanoskopie und, wenn möglich, UBM zu bestimmen, was mitunter alles andere als einfach sein kann. Rein auf die Iris beschränkte Tumoren können durch Sektoriridektomie entfernt werden. Ist der Kammerwinkel betroffen, reicht die alleinige Iridektomie nicht mehr aus. In diesen Fällen ist eine Iridozyklektomie („Blockexzision”) erforderlich [2]. Bei diffuser Vorderkammer-Disseminierung unter Einschluss des Kammerwinkels (im Rahmen eines malignen Prozesses) besteht prinzipiell noch die Möglichkeit einer Strahlentherapie. Dennoch ist die Enukleation nicht zuletzt wegen des sehr oft bestehenden therapierefraktären Sekundärglaukoms in vielen dieser Fälle nicht mehr zu umgehen.
Die Autoren Ruppenstein, Straub, Ach, Völcker und Dithmar beschreiben anhand von 2 Patienten die sehr seltene Entität von spontanen, stromalen, epithelialen Iriszysten, wobei die nicht eben gerade einfache Diagnose – wahrscheinlich Dank der überaus großen klinischen Erfahrung des kürzlich emeritierten Direktors der Klinik – bereits spaltlampenmikroskopisch gestellt und dann histopathologisch bestätigt wurde [6]. Die dezidierten morphologischen Befunde legen nahe, dass es sich bei der Zystenbegrenzung trotz leerer Trauma-Anamnese um „normales Oberflächenepithel” handelt, welches zu proliferieren begann. Wenngleich, wie von den Autoren zu Recht mitgeteilt wird, theoretisch immer die Möglichkeit einer „okkulten Bulbuspenetration” z. B. durch eine Nadel besteht – in der Literatur wird auch die Möglichkeit einer intrauterinen Bulbuspenetration im Rahmen einer Amniozentese diskutiert –, ist es naheliegend, dass es zu einer intraokularen Verschleppung von Oberflächenepithel auch ohne Trauma kommen kann, nämlich im Rahmen einer nicht ganz „lege artis” erfolgenden Abschnürung des Linsenbläschens vom Ektoderm, also während der embryonalen Entwicklung [7]. Ein derartiger, aberranter, embryonal-intraokularer Epithelnidus könnte dann durchaus nach Jahren oder Jahrzehnten, durch welchen Stimulus auch immer, zur intrastromalen Iriszystenbildung führen. Demgegenüber scheint die intraokulare Entstehung von typischem Oberflächenepithel durch „Metaplasie” mesodermaler Gewebselemente weniger nachvollziehbar, wenngleich ein solcher Mechanismus nach heutigem Kenntnisstand nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.
Die primären, intrastromalen Epithelzysten der Iris verhalten sich möglicherweise klinisch benigner als die traumatisch-sekundären [6] [8]. Dennoch dürfte man gut daran tun, auch die primären Zysten, wenn irgendwie möglich, komplett zu entfernen, um eine Disseminierung des Epithels in der Vorderkammer, also ein diffuses Epithelwachstum, zu vermeiden. Sollte das doch einmal geschehen und die Chirurgie keine Aussicht auf Erfolg mehr bieten, bliebe als „Ultima Ratio” die intrakamerale Zytostase mit Mitomycin C [9] oder 5-Fluorouracil [10].
Kasuistische Beiträge wie jener der Autoren Ruppenstein et al., die das korrekte Vorgehen bei einem ungewöhnlichen Iristumor sehr gut beschrieben haben, sind auch im „Zeitalter der Grundlagenforschung” unentbehrlich, selbst wenn heutzutage leider manch eine medizinische Fakultät glaubt, diese Art von Publikation z. B. für ein Habilitationsverfahren als „irrelevant” abtun zu müssen. Die „situative Forschung” anhand des konkreten Falls hat der Ophthalmologie (und anderen medizinischen Disziplinen) seit jeher nicht selten mehr Erkenntnisgewinn beschert als die eine oder andere aufwendige und teure, experimentelle Studie [11]. Nur mit einem einzigen gut dokumentierten Fall kann belegt werden, dass ein bestimmtes Ereignis prinzipiell möglich ist. Und so soll dieses Editorial mit dem Appell schließen, dass der akkuraten klinischen Beobachtung und der detaillierten klinisch-pathologischen Korrelation – immer unter Anwendung zeitgemäßer Methoden – wieder etwas mehr der Stellenwert zukommen möge, den sie nach wie vor verdient haben.
Interessenkonflikt: Nein
Literatur
- 1 Jakobiec F, Silbert G. Are most iris „melanomas” really nevi?. Arch Ophthalmol. 1981; 99 2117-2132
- 2 Naumann G OH. Iris. Naumann GOH, Holbach L, Kruse FE Applied pathology for ophthalmic microsurgeons Berlin Heidelberg; Springer 2008: 152-175
- 3 Rohrbach J M, Auw-Hädrich C, Messmer E M. et al . Zur Situation der Ophthalmopathologie in Deutschland: eine aktuelle Bestandsaufnahme. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2009; 226 740-746
- 4 Charteris D G. Progression of an iris melanoma over 41 years. Br J Ophthalmol. 1990; 74 566-567
- 5 Rohrbach J M. Intraokulares Epithelwachstum. Rohrbach JM, Steuhl KP, Knorr M, Kirchhof B Ophthalmologische Traumatologie Stuttgart; Schattauer 2002: 336-343
- 6 Ruppenstein M, Straub B K, Ach T. et al . Primäre stromale Iriszysten. Klin Monatsbl Augenheilkd. 2010; 227 425-429
- 7 Seefelder R. Die Entwicklung des menschlichen Auges. Schieck F, Brückner A Kurzes Handbuch der Ophthalmologie. Erster Band (Anatomie, Entwicklung, Missbildungen, Vererbung) Berlin; Julius Springer 1930: 476-518
- 8 Rohrbach J M, Steuhl K P, Erb C. Stromale Iriszyste. Klin Monatsbl Augenheilkd. 1993; 203 146-147
- 9 Yu C S, Chiu S I, Tse R K. Treatment of cystic epithelial downgrowth with intralesional administration of mitomycin C. Cornea. 2005; 24 884-886
- 10 Lai M M, Haller J A. Resolution of epithelial ingrowth in a patient treated with 5-Fluorouracil. Am J Ophthalmol. 2002; 133 562-564
- 11 Levin L A, Bressler N. The case report. When small is beautiful. Arch Ophthalmol. 1996; 114 1413
Prof. Dr. Martin Rohrbach
Department für Augenheilkunde, Eberhard-Karls-Universität Tübingen
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