Zusammenfassung
Langjährige Beobachtungen haben gezeigt, daß sowohl bei organischen Erkrankungen des Hypophyse-Zwischenhirngebietes als auch bei Fehlen jeglicher anatomischer Veränderungen Zustände von Fett- und Magersucht bei ein und demselben Menschen miteinander abwechseln können. Wir unterscheiden dabei primär dienzephal-hypophysäre Störungen, die durch spontanen mehrmaligen Wechsel von Fett- und Magersucht ausgezeichnet sind und deren psychische Erscheinungen nur eines der vielen Begleitsymptome innerhalb der gesamten primär dienzephal-hypophysäre Regulationsstörung darstellen; auf der anderen Seite sekundär dienzephal-hypophysäre Funktionsstörungen, welche durch den Wechsel primär psychischer, sich im Kortex abspielender Vorgänge hervorgerufen werden. Beide Formen können sich vermischen, indem einmal besondere hormonale Verhältnisse, wie z. B. zur Zeit der Prä- und Postpubertät, zu besonderen psychischen Reaktionen prädisponieren, zum anderen auch bei organischen Erkrankungen des Hypophyse-Zwischenhirnsystems, insbesondere bei der Enzephalitis, primär psychische Vorgänge auf das Zwischenhirn einwirken und damit Schwankungen des Fettbestandes hervorrufen können. Zeigen schon diese Tatsachen, daß als Ursache der sog. „Fett-Magersucht” kaum allein Über- und Unterfunktionszustände der Hypophyse bzw. Reiz- und Hemmungsvorgänge im Zwischenhirn in Frage kommen können, so beweisen dies weiterhin die verschiedenen Möglichkeiten der therapeutischen Beeinflussung konträrer Fettstoffwechselstörungen. Im Vordergrund steht dabei die Beobachtung, daß sowohl die funktionelle Fett- als auch Magersucht durch Hypophysentransplantationen, Fieberbehandlung, Hormonkuren oder einfache Milieuveränderungen günstig beeinflußt werden können. Es wird angenommen, daß neben der Umstimmung des Hypophyse-Zwischenhirnsystems der veränderten Ansprechbarkeit der Erfolgsorgane eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Daneben spielen konstitutionelle Faktoren eine noch weiter aufzuklärende Rolle.