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DOI: 10.1055/s-0028-1124209
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Die Inkubationszeit
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
03. Juni 2009 (online)
Zusammenfassung
1. Pathogenetisch muß unterschieden werden zwischen der Inkubationszeit bei Lokal- und septischen Allgemeininfektionen, die von der Geschwindigkeit der Erregervermehrung abhängt (falsche Inkubationszeit), und derjenigen bei zyklischen Allgemeininfektionen, die prinzipiell davon unabhängig ist und vor allem von der Sensibilität des Organismus bestimmt wird (echte Inkubationszeit).
2. Der Inkubationszeit der akut-zyklischen Infektionskrankheiten entspricht pathogenetisch bei den chronisch-zyklischen das gesamte Primärstadium (= klinische Inkubationszeit + Zeit des Primäraffekts).
3. Nicht immer fällt der Termin der Infektion mit dem Beginn der echten Inkubationszeit zusammen. Bei vielen Infektionskrankheiten geht der Inkubationszeit noch eine unregelmäßig lange Zeit voraus, in der erst der pathogene Schwellenwert erreicht wird, der zum Beginn der echten Inkubationszeit, also der Reaktion des Wirts, nötig ist.
4. Die Länge der echten Inkubationszeit ist unabhängig von Infektionsdosis (Ausnahme: minimale Dosen) und Eintrittspforte. Während ihrer ist die Infektion bereits im Körper gebunden und damit der Organismus gewöhnlich für seine Umgebung nicht infektiös. Gegen Ende der echten Inkubationszeit ist der Erreger aber gewöhnlich schon im strömenden Blut vorhanden.
5. Die echte Inkubationszeit ist Ausdruck der zentralnervösen Regulierung des pathogenetischen Geschehens. Sie kann daher auch nicht nur auf die Allergisierung bzw. Antikörperbildung des Organismus bezogen werden, dies nur höchstens insoweit, als auch diese ein Ausdruck zentralnervöser Regulation sind.
6. Eine im Organismus vorhandene oder ihm passiv verliehene Teilimmunität vermag in der 1. Phase einer echten Inkubationszeit diese oft abzukürzen. Dies darf als Beweis für den unmittelbaren Zusammenhang der Dauer der Inkubationszeit mit der Sensibilität des Wirts angesehen werden.
7. Es scheinen auch Beziehungen zwischen Dauer der Inkubationszeit und „Reife” des Erregers, d. h. dem Krankheitsstadium des „Spenders”, zu bestehen.
8. Es werden Nutzanwendungen für die Behandlung von Infektionskrankheiten in der Inkubationszeit aus dem pathogenetischen Wesen der echten Inkubationszeit gezogen und dabei auch die Frage der Schädlichkeit von Schutzimpfungen während der Inkubationszeit besprochen.